Schnickschnack und Firlefanz sind nicht eben die Freunde des Niederrheiners. Ehrlich, bodenständig und geradeaus ist er, aber auch heimat- und naturverbunden. Das spiegelt sich nicht nur in seinem Wesen wider, sondern auch bei diversen Klassikern der niederrheinischen Küche. Deswegen genießt er es auch so, im Frühling und Sommer auf den Wochenmärkten und im Bauernladen frisches Obst und Gemüse zu kaufen und daheim direkt weiterzuverarbeiten. Im Spätherbst und Winter ist die Auswahl nicht mehr ganz so groß – aber es gibt Kartoffeln, Grünkohl, Äpfel – und Dutzende Rezepte aus Omas Kochbüchern. Die Urbano-Redaktion hat die Köpfe zusammengesteckt – und die Top 5 der niederrheinischen Winterküche gekürt. 

Himmel un Ääd

Die Gelehrten streiten sich, ob das Gericht Himmel un Ääd, also Himmel und Erde, aus dem Rheinland, aus Westfalen, aus Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Schwaben oder aus Schlesien stammt. Einig ist man sich aber über die Zutaten, lassen sie sich doch vom Namen leicht ableiten: Der Himmel steht für die Äpfel, die bekanntermaßen an den Bäumen in den Himmel wachsen. Die Erde steht für die Erdäpfel, also Kartoffeln, die ja in die Tiefe wachsen und in diesem Gericht meist gestampft, also als Püree, daherkommen. Die beiden Hauptbestandteile dieses Gerichts harmonieren schon so gut miteinander, dass man sie auch für sich stehen lassen könnte (dann aber mit gerösteten Zwiebeln für die Kartoffeln). Klassisch gehört aber ‚Flöns‘, also gebratene geräucherte Blutwurst dazu, sowie Speck oder gebratene Leberwurst.  

Endivienstampf

Es wäre einen Versuch wert: Man läuft durch die Straßen einer beliebigen niederrheinischen Stadt, klingelt an einer Tür und fragt nach Endivienstampf. Wohl jeder wird ein Rezept von der Oma im Kopf oder auf einem vergilbten Zettel haben, um dieses wirklich sehr leckere und satt machende (und verblüffend einfache) Gericht zu kochen. Oftmals auch Endivienschlaat genannt. Und wenn jemand sagt, dass das Gericht deswegen auch manchmal ‚Spieß‘  genannt wird, weil es von seiner Konsistenz her an den Maurer-Spieß erinnert – lassen Sie sich davon nicht irritieren! Denn es schmeckt so gut. Und es ist so typisch niederrheinisch – wachsen die wichtigsten Zutaten doch vor der Haustür! Aus mehligen Kartoffeln, Milch, Sahne, Butter und Muskatnuss wird Kartoffelstampf gemacht und mit einem großen Kopf (und in feine Streifen geschnittenen) Endiviensalat und einer gewürfelten Zwiebel durchmengt. Vegetarier salzen das Zwischenergebnis, alle anderen würfeln durchwachsenen Speck unter und freuen sich auf einen Ring Grützwurst – oder ein frisches Welsfilet. Ein typisches wärmendes Winteressen nach einem ausgedehnten Spaziergang in der Kälte.  

Grünkohl

Das Auge isst mit? Ach was. Das interessiert in der Jahreszeit der Eintöpfe und Suppen doch wirklich keinen! Dass es natürlich angenehmere Anblicke als einen Teller Grünkohl gibt? Das kann nur einer sagen, der beim Anblick dieser Speise nicht weiß, wie es gleich schmecken wird. Und überhaupt: In Zeiten von Green Smoothies taucht Grünkohl ja auch in beinahe allen Rezepten auf. Aber wir bevorzugen die Variante mit Kartoffeln, Kasseler, Speck und Mettwurst. Deftig, ja sicher, und eigentlich wird wohl jeder Norddeutsche den Grünkohl als eigenes Traditionsgericht proklamieren. Aber er erfreut sich auch am Niederrhein größter Beliebtheit. Vielleicht, weil er ist wie er selbst: ehrlich und bodenständig.

Reibekuchen

Kennen Sie Flinsen? Dotsch? Oder Ballnklöß? Dädsch, Baggerla oder Datsch? Das alles sind lokale Bezeichnungen für Reibekuchen aus irgendeiner deutschen Region. Oder sagen Sie Kartoffelpuffer? Reibeplätzkes? Rievkook? Wie dem auch sei. Wahrscheinlich kommen Sie vom Niederrhein und sagen richtigerweise: Reibekuchen. Und wahrscheinlich sind Sie auch schon einmal dem unwiderstehlichen Geruch eines Reibekuchenstandes auf dem Weihnachtsmarkt erlegen – diese in heißem Fett von beiden Seiten gebratenen Kartoffeltaler sind so einfach wie gut. Apropos Weihnachtsmarkt: Besonders beliebt ist der Reibekuchen

übrigens außer Haus und nicht aus der eigenen Küche – den intensiven Geruch bekommt man kaum aus den eigenen vier Wänden. Das wissen im Übrigen auch die Gastronomen: Denn die haben zum Teil trotz gut funktionierenden Dunstabzugs manchmal ein ‚Reibekuchenhäuschen‘ im Garten des Restaurants, eine Außenküche also. Meist ist dort freitags Reibekuchentag – noch so eine Tradition. Denn freitags gab es ja bekanntlich kein Fleisch.

Kartoffelsuppe

An kalten Tagen zu einer Kartoffelsuppe eingeladen zu sein ist ein Geschenk. Denn erstens ist sie einfach nur lecker und sättigend. Und zweitens ist eine Äädäppelzupp immer eine schöne Überraschung. Schließlich weiß man vorher nie so genau, was drin ist – denn es gibt zig Rezepte. Püriert sollten sie sein, die Kartoffeln – dann schmeckt die Suppe am besten (und ihre Undurchsichtigkeit macht sie noch geheimnisvoller). Dann muss noch Gemüse rein, das aber nicht püriert, sondern gestückelt. Jede Menge, was der Wochenmarkt so hergibt. Möhren, Lauch, Erbsen, Kohlrabi – man kann hier eigentlich kaum etwas falsch machen. Die Kartoffelsuppe schmeckt, gut gewürzt, auch vegetarisch. Eine herzhafte Wurst, Speckwürfel, Krabben oder geräucherte Forellenstückchen sind ansonsten aber ein tolles i-Tüpfelchen.

mle