Immer mehr umweltbewusste Menschen schließen sich der Foodsharing-Bewegung an. Damit retten sie Lebensmittel – und füllen ganz nebenbei kostenlos den eigenen Kühlschrank
„Der Laden hat geöffnet.“ Auf diese wöchentliche Kurznachricht haben die ungefähr 15 Mitglieder der WhatsApp-Gruppe mit dem Titel ‚Food-Sharing‘ nur gewartet. Denn nun strömen sie mit Einkaufskörben und Kühltaschen zum Absender der Nachricht und machen sich auf dessen Terrasse buchstäblich die Taschen voll mit Lebensmitteln. Es herrscht eine freundschaftlichkonspirative Atmosphäre. Natürlich ist die Laune gut, denn nicht wenige der Anwesenden besorgen sich hier Obst und Gemüse für die ganze Woche – völlig umsonst. Und dabei tun sie noch etwas Gutes. Denn die Mitglieder der Foodsharing-Community retten Lebensmittel vor dem Müll.
Immer dann, wenn Tomaten eine Katsche haben, Bananen eine braune Stelle oder beim Joghurt das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist – also dann, wenn sie nicht mehr verkauft werden können bzw. dürfen, werden sie aus den Regalen entfernt und werden auf diese Weise ein Fall für die Lebensmittel-Retter. Der Kopf einer jeden Foodsharing-Gruppe, der Foodsaver, fährt nach Absprache die kooperierenden Betriebe in der Umgebung ab, nimmt die noch genießbaren Lebensmittel mit und sorgt dafür, dass diese in der Gruppe verteilt werden – oder fairteilt, wie es unter Foodsharern heißt.
Es ist eine Idee, so genial und einfach, dass man sich ärgert, dass nicht schon viel eher jemand darauf gekommen ist. Denn es gibt nur Gewinner: Die Supermärkte müssen weniger entsorgen. Die Foodsharing-Community freut sich über kostenlose Lebensmittel (auch, wenn diese zeitnah konsumiert werden müssen) und darüber, etwas Gutes zu tun. Denn Foodsharer haben ein ausgeprägtes ökologisches und soziales Gewissen.
„Kommt vorbei, es ist noch reichlich da“, schreibt der Foodsaver eine halbe Stunde später und liefert zum Beweis Fotos von Salat, Zucchini, Schinkenwurst, fertigem Kartoffelsalat und jeder Menge Bananen. Sofort werden Rezepte für Bananenkuchen, Bananen- Smoothies und Bananenbrot gepostet – bloß nichts wegschmeißen, noch vor einigen Wochen haben die Foodsharer gläserweise Erdbeer-Marmelade eingekocht.
Lebensmittelretter gibt es in vielen Städten, einige davon sind bei foodsharing.de gelistet. Hier vernetzen und koordinieren sich die Lebensmittelretter. Über die Plattform werden zudem überregionale Themen, Veranstaltungen und Informationen veröffentlicht. Seit neun Jahren aktiv, hat die Foodsharing- Initiative mittlerweile mehr als 200.000 registrierte Nutzer in Deutschland, Österreich, der Schweiz und weiteren europäischen Ländern. Natürlich auch im Urbano-Sektor. Sie alle eint, dass sie das Ganze ehrenamtlich und unentgeltlich machen, kostenlos, nicht kommerziell, unabhängig und werbefrei. Es geht darum, der Ressourcenverschwendung etwas entgegenzusetzen, Lebensmittel wertzuschätzen.
Natürlich freut sich jeder darüber, wenn der Foodsaver Fotos schickt von Broten, von buntem Obst und Gemüse, das man sich nur abholen muss. Eine Woche vorher aber war die Freude noch größer. Da hieß es nämlich in der Gruppe: „Diese Woche gibt es nichts. Die Supermärkte haben gut gewirtschaftet, es muss nichts gerettet werden.“ Alle Daumen gingen nach oben. „So muss es sein“, antwortete eine Nutzerin.