An jedem Wochenende spielen nicht nur die Spieler Borussias, sondern auch Tausende andere Mönchengladbacher Fußball. Auf Rasen, Asche und auf Kunstrasen. Eine Liebeserklärung.

Sonntagmorgens, 11 Uhr, überall in Deutschland. Ein mäßig gelaunter Platzwart, gekleidet im ballonseidenen Trainingsanzug, verlässt den Rasenplatz und schiebt dabei den Kreidewagen, mit dem er gerade die Spielfeld-Markierungen nachgezogen hat, vor sich her. Ihm entgegen kommen 22 top motivierte A-Jugend-Fußballer und ein meist betagter Schiedsrichter, um irgendein Spiel aus irgendeiner A-Jugend-Staffel zu absolvieren. Es ist die erste von insgesamt drei Partien, die an diesem Tag auf dieser Platzanlage ausgetragen werden. Gleich kommt noch die Dritte und danach die Erste Mannschaft, gestern waren zuerst die Jüngsten dran, die Mädchen und nachmittags die Alten Herren. Am Stankett diskutieren die wenigen anwesenden Rentner bei einem Pott Kaffee schon einmal über die Aufstellung der Mannschaften – herzlich willkommen auf den Amateur-Fußballplätzen unserer Republik.

Die Aufmerksamkeit in Fußball-Deutschland gehört der Elite, über die neun Bundesligaspiele, die an jedem Wochenende absolviert werden, wird vollumfänglich berichtet. Dabei finden jede Woche ungefähr 90.000 Fußballspiele unter dem Dach des Deutschen Fußball-Bundes statt. Überall in Deutschland, auf Rasen, Asche oder Kunstrasen. Millionen Menschen opfern ihr Wochenende, um entweder selbst zu spielen, eine Mannschaft zu trainieren oder zu betreuen, um die Spiele zu pfeifen oder Kaffee und Kuchen für die Mannschaftskasse zu verkaufen.

Und die Spieler selbst? Sie pflegen wie die Großen ihre Rituale in der Kabine. Ziehen die Stutzen hoch wie Mbappé, jubeln wie Ronaldo oder setzen zum Dribbling an wie Messi – meist allerdings nicht mit dem Erfolg des Argentiniers. Aber: Sie sind vereinstreuer als alle Profis zusammen. Sie gehen mit fünf Jahren in den Verein vor der Haustür, spielen dort die ganze Schulzeit, pendeln während des Studiums hunderte Kilometer, um weiter mit ihren Jungs spielen zu können, holen sich mit 30 Jahren die Silberne Ehrennadel ab, wechseln in die Alten Herren und bleiben dem Verein noch Jahrzehnte weiterhin treu.

Es gibt Kreisliga-Legenden, die gefürchtet sind für ihre Freistoßtore. Andere, die ihren Respekt dafür bekommen, dass sie regelmäßig zur Blutgrätsche ansetzen. Und in jeder Mannschaft mindestens einen, der fast Profi geworden wäre. Wenn, ja wenn er AUF DIE PLÄTZE damals nicht beim Probetraining bei Borussia durchgerasselt wäre, wenn er sich nicht das Kreuzband gerissen hätte oder, oder, oder

Der Amateurfußball ist ein geschlossenes System. Und während Nicht-Fußballer gedankenverloren an der Carl-Diem-Straße vorbeifahren, denken Fußballer sofort an vergangene Schlachten bei PSV Mönchengladbach oder betrauern das Aus des Stadions an der Alten Radrennbahn. Was für Katakomben unter der Haupttribüne! Was für ein toller, tiefer Natur-Rasenplatz!

Die Spiele selbst sind montags noch bei der Arbeit Gesprächsthema, auch wenn die Tribünen bei Landesligaspielen früher voller und hohe dreistellige Zuschauerzahlen keine Seltenheit waren. Wie hat der Rheydter SV gespielt? Was ist schon wieder mit dem 1. FC Mönchengladbach los? Und stimmt es, dass der Torjäger von Grün-Weiß Holt nach der Saison zum SC Hardt wechselt?

Wenn es um Fußball geht, dann geht es in Mönchengladbach eben nicht immer um Borussia, um Millionen, um die Nationalmannschaft oder die Champions League. Manchmal geht es darum, dass der Letzte in der untersten Kreisliga erstmals seit Jahren ein Spiel gewonnen hat. Ist das nicht wunderbar?

Sven Platen