Bei der Frage, über welchen Zeitraum man die Winterbereifung am Auto lassen soll, hilft der oft zitierte Volksmund mit der einfachen Regel: von O (wie Oktober) bis O (wie Ostern). Ähnlich einfach belehrt die gleiche Quelle über die Nachfrage, in welchem Zeitraum der Ver- zehr von Muscheln empfohlen wird: in den R-Monaten (September, Oktober, November usw.). Doch wer hilft bei der jährlich wieder- kehrenden Fragestellung, wann es Zeit wird, das kuschelige, daunen- gefüllte Winter-Plumeau gegen das leichte Sommer-Inlay auszu- tauschen. (Ich erinnere mich an die Daunen-Oberbetten meiner Oma mit dem gefühlten Volumen einer kleinen Lawine. Wenn es am Kopfende zu viel Daunen hatte, konnte man mit gezielten Hand- schlägen die Füllung in Richtung Fußende umschichten.) Eigentlich sollte der Kalender Antwort geben und man macht es abhängig von den Außentemperaturen. So handhabt es meine Frau jedenfalls seit ewigen Zeiten und sie liegt eigentlich immer richtig. Doch als wir im Frühjahr knapp 30 Grad hatten, war mein Schlaf ob der tropi- schen Temperaturen unter der ’noch Winter‘ Garnitur als sehr unru- hig zu bezeichnen. Die Quote der nächtlichen Längs-Drehungen und ‚Oberbettwendungen‘ zu Temperaturwechselzwecken war im Bereich eines Workouts anzusiedeln.

Im Garten helfen mir die untrügerischen Zeichen der Natur. Sobald die Frösche bzw. Kröten im März gelaicht haben und die Schild- kröten in der Mittagszeit ein Sonnenbad am Teichrand nehmen, kommt der Zeitpunkt, den Rasenmäher zu wecken und die kurze Hose rauszuhängen. Doch nicht nur die Fauna, auch die Flora sendet unübersehbare Signale mit Maiglöckchen, Narzissen und bunten Tulpen. Ein erster Schmetterling landet neben mir auf der Rücken- lehne eines Gartenstuhls und staunt über mein beschlagenes Weinglas, gefüllt mit fruchtigem Blanc de Noir aus dem Ahrtal. Soll er doch gucken – wird bestimmt nicht das letzte Glas sein. Es gibt doch so viele clevere Erfindungen in unserem Land der Dichter und Denker. Wie wäre es denn mit einer intelligenten Bettdecke, umge- bungstemperatur- und/oder sprachgesteuert, gekoppelt mit dem Nachttischlämpchen, einem Hautoberflächenfeuchtigkeitssensor und integrierter Weckfunktion. Ich sollte mal bei der Höhle der Löwen vorsprechen. Irgendwer wird’s schon kaufen …

Oder glauben Sie, der Erfinder der berühmten ‚Übergangsjacke‘ wäre einfach so vom Himmel gefallen? Da stecken jahrelange Planung, ein Businessplan und ein ausgeklügeltes Kalkül dahinter, sowas auf den Markt zu bringen. Bedürfnisse zu wecken und auch zu erfüllen, die eigentlich niemand braucht – das ist die große Kunst. In einem Interview mit dem Produktentwickler für den Non-Food Bereich eines großen Kaffeekonzerns, der Woche für Woche bundes- weit seine Läden vollstopft mit unnötigem Firlefanz und allerlei Alltagsgelumps fiel mal der Satz„… wir verkaufen in volle Schränke“. Recht hat er! Von diesem Konzept lebt übrigens auch die soge- nannte ‚Markthalle‘ eines schwedischen Möbelhauses. Man verlässt den Laden mit jeder Menge Zeug, das man entweder schon hat oder aber gar nicht braucht. Aber egal. Hinter der Kasse tröstet man sich noch mit einem Softeis oder dem legendären Hotdog mit getrock- neten Zwiebeln und der unwiderstehlichen Sauce.

Auch ich bin schon auf ein Produkt reingefallen, das ich eigentlich gar nicht wollte. Habe ich doch meiner Frau zu Weihnachten einen Zyklon Milbenstaubsauger mit UV-Licht-Funktion zur Reinigung von Haushaltstextilien geschenkt. Da war das Fest aber schon fast gelaufen … Sie schaute trauriger als ich Anfang der 70er, als mir das Christkind ein neues Notenheft für den autodidaktischen Block- flöten-Unterricht unter den Baum gelegt hat (damals gab’s noch kein Ebay. Ich hab es dann jahrelang versteckt). Zur Strafe für dieses ungeheuerliche ‚Geschenk-Fiasko‘, das dummerweise meinerseits auch noch im Vorfeld gehypt wurde, darf ich jetzt alle 14 Tage die Matratzen im Kreuzgang absaugen und, da ich ja gerade da bin, beim Neubeziehen der saisonalen Spannbetttücher behilflich sein.

Fazit: Augen auf beim Krempel-Kauf. Auch dies ist eine seit Langem bekannte Weisheit im Volksmund …

Ihr Gregor Kelzenberg