Ein Stadtspaziergang im Winter hat seinen eigenen Reiz. Zwar sind die Bäume kahl und der Frühling deutet sich noch nicht an. Aber das Fehlen der Blätter gibt in vielen Straßen den Blick auf die Häuser frei. Besonders die Fabrikantenvillen, Zeugnisse des Wohlstands durch die Industrialisierung, sind nun gut zu sehen.
Villa Hecht
Anfang des 20. Jahrhunderts galt die Mozartstraße in Mönchengladbach als Prominentenallee. Hier reiht sich eine Villa neben die andere. Wohlhabende Kaufleute und Textilfabrikanten haben die Straße für ihre repräsentativen Familiensitze gewählt. Noch heute kann man sich gut vorstellen, wie damals die Kutschen vorfuhren, um elegante Damen und stattliche Herren zu gesellschaftlichen Events zu bringen.
22
Am Haus mit der Nummer 22 ist diese Vorfahrt noch gut zu sehen. Wie viele der alten Villen in dieser Straße haben die Architekten Robert Neuhaus und August Stief auch dieses Haus geplant. Dem Architekten-Duo begegnet man in der Stadt häufiger, wenn es um prägnante Gebäude geht. Als Robert Neuhaus 1894 den Auftrag für den Bau des Rathauses in Rheydt bekam, zog er von Köln nach Rheydt um. Schnell entwickelt er sich zu einem ‚Star-Architekten‘, dem die betuchten Bürger der Stadt vertrauten.
Für den Verleger Oskar Kühlen baute er die Stadtvilla an der Bismarckstraße 97, heute das Kulturzentrum BIS. Den historischen Teil des Parkhotels Rheydt baute er 1898 als Wohnsitz für den Werkzeugmaschinenfabrikanten Paul Froriep und der Textilfabrikant Walther Bresges vertraute ihm 1910 den Bau von Haus Zoppenbroich an.
Villa Abraham
Zusammen mit seinem Geschäftspartner August Stief baute Neuhaus an der Mozartstraße gleich mehrere der imposanten Villen. Wer in die Straße hineinfährt, kommt direkt an der Villa Abraham vorbei. Wie einige andere Fabrikantenfamilien waren die Abrahams Juden. Als die Nazis an die Macht kamen, wanderten die Abrahams 1933 in die USA aus. Ihr Wohnhaus übergaben sie an Johanna Hölters, die 1923 einen Blindenverein gegründet hatte. Bis heute ist das Haus der Sitz des Blindenvereins. Ein Schild am Eingang erinnert an die Gründerin und auch an den Kaufmann Adolf Abraham und seine Familie wird mit einem Porträt im Gebäude erinnert.
Villa Aschaffenburg
Die Liste der Bauherren in dieser Straße liest sich wie ein ‚Who’s who‘ der feinen Gladbacher Gesellschaft des frühen 20. Jahrhunderts: der Textilkaufmann Gustav Jonas, dessen Sohn Hans Ehrenbürger von Mönchengladbach ist, der Tuchfabrikant Hermann Aschaffenburg und der Unternehmer Emil Peltzer-Teacher. Eine äußerst repräsentative Villa aus Eifeler Tuff stein bauten Neuhaus/Stief für den Geheimrat Paul Busch. Zuletzt bewohnte sie die Familie Hecht, die der ‚Villa Hecht‘ ihren Namen gab. Die letzte Erbin Meta vermachte das Gebäude der Stadt, die mit dem Erlös aus dem Verkauf die Kunst und Kultur in Gladbach fördern sollte. Heute ist das Haus der Sitz der Vibro-Gruppe und ein beliebtes Motiv bei Instagramern.
Garnet Manecke