Was ist eigentlich Zeit? Die Zeit ist das, was wir daraus machen. Es gibt so viele Vorund Nachsilben zur Zeit, von denen uns die liebste wohl die Freizeit ist. Ich möchte meine Gedanken zum Thema Zeit ein wenig schweifen lassen. Ich meine damit nicht das wissenschaftlich, physikalische Phänomen der Zeit. Dazu lesen Sie besser ein Buch von Albert Einstein oder Stephen Hawking, die sind da deutlich besser informiert. Ich denke eher einfach im Sinne von Peter Lustig, dem Latzhosen-Philosophen aus der von mir als Kind geliebten Sendung Löwenzahn.
Freizeit steht ja für (freie) Zeit, in der wir selbstbestimmt entscheiden, was wir machen und wozu wir Lust haben. Bleib ich jetzt auf der Couch liegen oder geh ich joggen? Bestellen wir uns Pizzen oder koche ich für die Familie? Es liegt in meiner Hand – ich darf es selbst entscheiden. Zeit hat aber auch für jeden und zu jeder Zeit einen anderen Stellenwert. Als Jugendlicher sehnt man sich nach der 18 und denkt vornehmlich an all die neuen Rechte (über die Pflichten macht sich kaum jemand Gedanken). Zu jeder Zeit strebt man nach Neuem, etwas Anderem: An grauen, nasskalten Wintertagen freut man sich auf den nächsten Sommer; in schwülen, mückengeplagten Sommernächten träumt man von einem guten Glas Rotwein vor dem lodernden Kaminfeuer (so geht es mir zumindest).
Das Allerbeste an der Zeit ist, dass wir sie nicht aufhalten können. Die Leute sprechen zwar von Zeitgewinn, Zeitersparnis oder Zeitmanagement, aber es bleibt dabei: die Stunde hat immer 60 Minuten und ein Tag hat 24 Stunden. Es gibt unendlich viele Zitate kluger Menschen zum Thema Zeit. „Man verliert die meiste Zeit damit, dass man Zeit gewinnen will“, hat John Steinbeck mal geschrieben. Entscheidend ist doch, dass wir die Zeit mit sinnvollen Inhalten füllen und sie nicht achtlos verstreichen lassen.
Wie schnell man älter wird, erkennt man an unscheinbaren Kleinigkeiten im Alltag. Beispielsweise an der Größe des Kulturbeutels beim Verreisen. Ich finde, dass der Kulturbeutel überproportional schnell zum Alter an Größe gewinnt. Mit 16 hätte ich zwei Wochen nur mit einer Zahnbürste und meinem Brustbeutel mit Münzgeld verreisen können (waschen konnte man sich doch auf jedem Friedhof). Heute bedarf mein Reise-Equipment eines zusätzlichen Sherpas, um die unentbehrlichen Pflegeprodukte des adretten Mannes ab 50 zu befördern. Ein anderes Phänomen zur Wahrnehmung des fortschreitenden Alters begegnet einem pandemiebedingt bei der Eingabe der personenbezogenen Altersangaben zum Corona-Schnelltest. Wie lange muss ich denn an dem Rädchen drehen, bis mein Geburtsjahrgang erscheint? Ich werde ob dieser erniedrigenden Vorführung des eigenen Alters Apple verklagen und beantrage gleichzeitig eine Starteinstellung des Jahrganganzeigers unter dem Jahrgang 2000. Wenn in Medien das Alter eines Schauspielers eingeblendet wird, komm ich mir bei Gleichaltrigen immer mindestens um die 10 Jahre jünger vor. Würde ich mich in einer (1963er Jahrgangs-) Reihe zwischen Guildo Horn und Karl Lauterbach aufstellen, hielte man mich doch für einen Spaßvogel. Aber vielleicht sehen das die anderen, auf sich bezogen, genauso.
Ein letztes Indiz zur sinnlichen Wahrnehmung des Älterwerdens hat mir meine Frau neulich eingebrockt. Man fühlt sich ja noch nicht als Veteran, bloß weil man im Handy die Schriftgröße der fortschreitenden Alterssehschwäche anpasst, aber seine Pillen morgens einem 7-teiligen Plastik-Setzkasten mit der Aufschrift Montag, Dienstag, Mittwoch usw. zu entnehmen, schockiert tiefgreifend (obwohl es ja auch schon sehr praktisch ist!).
Es bleibt dabei, wir sind der Zeit ausgeliefert; und das ist auch gut so. Wie heißt es doch so schön: verschwende keine Energie auf Dinge, auf die du keinen Einfluss hast.
Ich beende meine Ausführungen zum Thema Zeit mit dem philosophischen Zitat von Alexander Mitscherlich: „Man möchte leben, ohne zu altern; und man altert in Wirklichkeit, ohne zu leben.“
Machen Sie das Beste draus – ich wünsche Ihnen vor allem eine gute Zeit.
Ihr Gregor Kelzenberg