Die Tage sind noch kurz und zu den meisten sonst lieb gewonnenen Freizeit-
aktivitäten nach Feierabend mangelt es an ausreichender Motivation bzw. Tageslicht. Statt auf dem Sofa abzuhängen oder sein Karnevals-Outfit zu überarbeiten – seit letztem Jahr fehlt mir ein Sheriffstern auf der braunen Cordweste – ist es an der Zeit, sich über den Jahresurlaub Gedanken zu machen. Die Auswahl ist riesig und die Titelseiten der Hochglanzkataloge sind gerade bei aktuell hochgeschlagenem Mantelkragen und tief ins Gesicht gezogener Mütze verlockend.
„Was darf’s denn sein der Herr?“ Ein CO2-neutrales Ökodorf in den kretischen Bergen mit mediterranem Ziegenkäseseminar und Ausdruckstanz bei Sonnenuntergang oder lieber 14 Tage Ultra-All-Inklusive auf Dom Räpp mit Privat-Infinity-Pool und 24 h Butler Service? Wer die Wahl hat, hat die Qual – wie wahr…
Vielleicht bin ich ja persönlich zu blöd oder allein fehlt mir die Geduld: Versuchen Sie niemals auf eigene Faust, den exakten Reisepreis aus den beiliegenden Preisheftchen zu ermitteln! Sie werden unter Garantie falsch liegen. „Reisezeit G ab DUS bei Dreibett-Belegung mit HP, geht nur bei Verzicht auf Handgepäck und Eigenanreise mit Esel – Satteltaschen werden nach Verfügbarkeit gestellt…“ Der im Katalog unten rechts genannte Preis bezieht sich in der Regel immer auf das beheizbare Souterrain Appartement in Reisezeit W = Jan – Feb mit Blick in den Wirtschaftshof, bei Belegung ab mindestens zwölf Personen – mitreisende Senioren im Beistellbett frei.
Aber zum Glück gibt es ja ausreichend Möglichkeiten, sich über sein Wunschziel gebührend zu informieren. Doch Vorsicht! Der Deutsche an sich übt gerne Kritik und bringt diese im Internet deutlich in Wort und Bild zum Ausdruck. Man könnte meinen, jeder zweite deutsche Pauschal-Urlauber ist Mitarbeiter der Spurensicherung. Auf diversen Portalen findet man unzählige Makroaufnahmen von Körperhaaren in der Brausetasse oder Ansätze von Schimmelbildung am Duschvorhang. Gerne auch Bilder des 3-mm-Spalts unter der Zimmertüre – zur Veranschaulichung auf dem Bauch liegend geknipst, im
Nahbereich-Modus mit einer 1 Cent Münze als Referenzgröße – Respekt!
Vielleicht gibt es in absehbarer Zeit am Flughafen einen Sonder-Check-in-Schalter für den kritischen, aufgeklärten Reisenden mit 2 m langer Wasserwaage und Nivelliergerät. Unter Umständen lässt sich dann für ein nachweislich unzureichendes Gefälle bei der Beckenrandplattierung gemäß Frankfurter Tabelle für Reisepreisminderungen ein 5%iger Abschlag wegen Pfützenbildung rausschlagen. Den so erkämpften Betrag kann man dann mit Spirituosen aus der Minibar verprassen.
Doch achten Sie immer darauf, wer eine Hotelbewertung vorgenommen hat! Obacht bei Typen wie: Hans Georg u. Anne, dt., 45 – 50, ohne Kinder. Die reklamieren u. a. Sand zwischen den Zehen, Morgentau und zu intensive Abendröte. Bei einem Frühstücksbuffet mit zwölf verschiedenen Marmeladen suchen sie garantiert nach zuckerfreiem Holundergelee. Solche notorischen Nörgler fotografieren auch mit Kuchenresten angefütterte Ameisen im Portrait-Modus auf der Terrasse – Heinz Sielmann wäre stolz auf sie gewesen. In den ersten drei Urlaubstagen schauen sie ein wenig missmutig, weil sie schon viermal ihr Zimmer getauscht haben und die Füllung der Daunendecke im neuen Appartement übelste Hautreizungen verursacht („Anne, bin schnell in die Lobby wegen WLAN, um unserem Allergologen und Rechtsanwalt die aktuellen Nahaufnahmen aus deiner Kniekehle zu mailen…“).
Ich möchte niemals bei Hans und Anne zu Hause unters Bett, in die Besteckschublade oder die Garage schauen. Aber im Urlaub auf dicke Hose machen: „Wo bleibt denn der Butler? Ich habe schon zweimal geläutet! Ich möchte etwas reklamieren – und zwar mich.“ Hans Georg erkennt man übrigens an seinem umfangreichen Kamera-Sortiment im fahrbaren Trolley mit jeder Menge Wechselobjektiven, meist im Speisesaal auf der Jagd nach reklamationswürdigen Motiven. Anne hingegen ist unterwegs im weißen CSI Miami Overall – UV Licht-undurchlässig nach DIN – ausgestattet mit Diktiergerät und Petrischale zum Ansetzen von Keimlösungen. Sie sucht unentwegt Zeugen – findet aber nur Leute, die einfach entspannt Urlaub und dabei auch noch Bilder vom Strand machen und so…
Wenn Sie sie sehen, bestellen Sie viele Grüße!
Ihr Gregor Kelzenberg