Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, mit welcher Selbstverständlichkeit man alltägliche Dinge in Anspruch nimmt, ohne wissentlich davon Kenntnis zu nehmen? Bevor ich morgens zur Arbeit fahre, habe ich circa zehnmal Stromverbraucher an- und ausgeschaltet, mit dem gleichen Bewusstsein, wie man bremst, kuppelt oder Gas gibt.
Dabei ist das Einschalten des Lichtes nach dem Abschalten des elektrischen Weckers nur einmal mitgerechnet. Beim heißen Duschen im (beleuchteten) Bad putze ich mir mit einer elektrischen Zahnbürste die Zähne. Wenn die Zeit es zulässt, kommt noch flott der brummende Braun-Rasierer zum Einsatz. Was wäre ein Morgen ohne den ersten heißen Espresso aus dem
Kaffee-Vollautomaten, danach ein kaltes Glas Orangensaft aus dem Kühlschrank und ein getoastetes Brötchen? (Für das gekochte Frühstücksei ist nur am Wochenende Zeit.) Beim Verlassen des Hauses nehme ich dann mein Handy aus der Ladestation und schalte per Fernbedienung nach den 7-Uhr-Nachrichten das Radio aus.

Haben Sie mitgezählt? Ich habe mich noch nie im Leben geföhnt, nehme keinen Aufzug und muss auch kein Rolltor hochfahren – doch zehn Energieverbraucher waren doch nicht übertrieben, oder? Kommen jetzt noch die
Indirekten hinzu, zum Beispiel das beheizte Haus, das gebügelte Hemd, das getankte Auto, die beleuchteten Straßen, die beampelten Kreuzungen

 und so weiter, stehen wir doch ganz schön in einem nicht zu leugnenden Abhängigkeitsverhältnis zur Energieversorgung.
Jetzt stellen Sie sich den morgendlichen Ablauf doch einmal ohne Strom vor: Verschlafen, weil kein Wecker, nach kaltem Duschen bei Kerzenlicht nass rasieren, Herd anfeuern – wenn vorhanden – um Kaffee zu kochen, dann trockenes Brot mit Marmelade (Wurst und Käse leider verschimmelt). Kein Frühstücksfernsehen, keine Mails, keine Zeitung, kein Wetterbericht. Woran man sich nicht alles gewöhnen kann?!
In der Überschrift GZ SZ frage ich mich, was oder wann denn überhaupt die schlechten Zeiten sein sollen. Ist denn eine schlechte Datenübertragungsrate oder ein zu hoher Härtegrad im Trinkwasser nicht Jammern auf hohem Niveau? Das Gestöhne über Verspätungen im Nahverkehr oder das Lamentieren über fehlende Parkplätze sind doch alles Bedeutungslosigkeiten, gemessen an den echten Problemen, die manche von uns haben. Die jüngsten Ereignisse in den Vereinigten Staaten mit Hurrikan Sandy zeigen uns doch, dass wir am Niederrhein im gelobten Land leben. Auch, wenn hier weder Milch noch Honig fließen – dafür haben wir Altbier und Frikadellen – lebt es sich doch wirklich nahezu sorgenfrei. Kein drohender Vulkan, kein Erdbeben, keine Schneekatastrophen oder Ernteausfälle durch
Dürren oder Heuschreckenplagen. Die Niers bleibt brav in ihrem Bett und auch Hochwasser ist uns fremd. Die einzige Katastrophe wäre ein Abstieg in die 2. Liga, aber das ist ein ganz anderes Kapitel.
In der Weihnachtszeit hat man ja vielleicht mal die Muße, über die Selbstverständlichkeiten in unserem Alltag nachzudenken und Menschen ein wenig Hilfe zukommen zu lassen, denen es nicht so gut geht, wie den meisten von uns.
Nicht, dass Sie jetzt beim Einschalten der Weihnachtsbeleuchtung ein schlechtes Gewissen haben sollten, aber denken Sie auch an unsere Mitmenschen und schenken ihnen mehr als nur ein Lächeln.
Schöne Weihnachtstage!
Ihr
Gregor Kelzenberg