Meine musikalischen Vorlieben sind eindeutig im Bereich des Jazz angesiedelt, doch hin und wieder hat man ja auch akustische Begegnungen mit Hip Hop, beispielsweise im Radio, wenn man nicht gerade WDR-4-Hörer ist. Erstaunlicherweise gelingen den oft martialisch auftretenden ‚Gangster Rappern‘ mit angsteinflößenden Tätowierungen sinnvolle und eindringliche Textpassagen mit durchaus bemerkenswerten Inhalten. Die Art des Vortrags sowie die entsprechende Musik bleiben nach wie vor Geschmacksache.

Bei meinen Überlegungen hinsichtlich des Themas für die erste Kolumne im neuen Jahr, bei der ich mich zu derzeitigen Ernährungs- und Lebensverlängerungsstrategien positionieren wollte, dachte ich an Textzeilen aus Marterias ‚2 Finger an den Kopf‘,  in denen es heißt: „Alle auf Salat – keiner mehr verstrahlt. Jeder macht Diät – niemand isst mehr Fleisch.“ Der anhaltende Trend zu besserem Essen bzw. einer generellen Haltung zu einer bewussteren und nachhaltigen Lebenseinstellung kommt deutlich zum Ausdruck. Doch nicht nur in puncto Ernährung – auch im täglichen Sozialverhalten wird uns der Spiegel vorgehalten. „Jeder geht jetzt Joggen – redet über seinen Bauch. Bevor die lila Wolken kommen, sind alle längst zuhaus.“  Selbstverständlich begrüße ich jede Art von gesunder Lebenseinstellung und gönne jedem seine persönliche Diät, seinen Sport, sein Yoga oder was sonst. Soll einer doch täglich seine 10.000 Schritte machen, auf Brot verzichten oder von mir aus siebenmal in der Woche Sauerbraten essen – ein jeder so, wie er es mag. Doch bitte nicht gleich aus jedem Diättrend eine Religion hochstilisieren und nicht gleich (jeden Freitag) einer Fahne hinterherlaufen. Hauptsache: Ich bin dagegen …

Ich respektiere jeden, der sich Gedanken über sich selbst macht, seine Rolle und seine Verantwortung als Gast auf dieser Erde hinterfragt und sich kritisch damit auseinandersetzt. Als Nicht-E-Bike-Fahrer bleiben für mich die ’normalen Radfahrer‘ – die, die noch treten – ebenso Menschen und ich verurteile auch keine SUV Fahrer, ob mit oder ohne Umweltplakette. Jeder hat seine eigene Meinung und das Recht, nach seinem Motto zu leben …

Mir persönlich hängt aber gegenwärtig zu viel Vernunft in der Luft. Wo zum Himmel sind denn die Sünder geblieben, die Unvernünftigen, die Maßlosen, die, die es noch mal so richtig krachen lassen? Die ganze Vernunft um mich herum geht mir auf den Zeiger. Alkohohlfreies Bier, koffeinfreier Kaffee und Weggemann mit Margarine?! Fleischlose Frikadellen und womöglich noch Sex ohne Anfassen. Wo soll das denn alles hinführen? Der Verzicht ist derart in Mode gekommen, das Snickers und Bountys demnächst nur noch im Darknet oder nachts hinterm Bahnhof beim Dealer zu kriegen sind. 

Vegetarismus, Veganismus, Frutarismus, Rauchverbot, Alkoholverbot im Stadion, glutenfreie Ernährung und radikal regionale Küche – ich will doch nur ein leckeres Schnitzel essen und ein frisches Pils dabei trinken. Man muss sich nicht gleich geißeln und wie ein Einsiedler leben – es gibt auch immer einen gesunden Mittelweg. 

Der österreichische Philosophie Professor Robert Pfaller vertritt den Standpunkt, dass es unvernünftig ist, immer vernünftig zu sein. Es geht schließlich auch um Belohnung und Glücksgefühle. „Wir mäßigen uns maßlos“, warnt dieser. Wir sollten unser Leben nicht als Sparguthaben betrachten und Angst haben, dass uns jemand davon etwas wegnimmt. Klar beinhaltet jeder Genuss auch gleichzeitig eine Gefahr. Zitat Pfaller: „Jede unvernünftige Verausgabung beschert uns auch einen Triumph.“  

Schon recht früh in meiner eigenen Entwicklung, lange vor dem Erreichen des bronzenen Sportabzeichens, habe ich mal die Weisheit gehört, dass jemand, der alles schei… findet, am Ende auch selber so aussieht. 

Nicht, dass Sie jetzt meinen, ich fordere hier zur Revolution auf,  nur noch einmal im Monat den Rasen zu mähen und jede CO2- Bilanz zu leugnen (das tun i. Ü. schon int. Spitzenpolitiker) – aber man kann doch bitte auch mal eine Fünf gerade sein lassen und etwas mehr Lässigkeit zulassen. Solange es keinem anderen schadet, kann es unser eigenes Leben nur bereichern. Was wir unserem Planeten antun, geht uns alle an. Aber für unseren eigenen Seelenfrieden bleiben wir alleine verantwortlich. Egal mit welcher Diät …

Schluss für heute. Auf mich wartet ein 2018er galizischer Albarino im Kühlschrank, der mir von Liebe, Leidenschaft und dem Meer erzählen möchte. Dieses Erlebnis möchte ich mit meiner Frau teilen. (think positiv: geteilte Schokolade = halbe Schokolade; in dem Fall jedoch doppelter Genuss!)

 

In diesem Sinne …

Einen guten Start ins neue Jahrzehnt mit vielen genussvollen und reuelosen Momenten

Ihr

Gregor Kelzenberg