In der Schule haben wir im Geschichtsunterricht gelernt, dass die unterschiedlichen Epochen in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit nach dem Stand der Werkzeuge benannt wurden, die man zu fertigen in der Lage war. So war vor circa 2,6 Millionen Jahren die Steinzeit geprägt von der Nutzung einfachster Keil-, Spalt- und Schlagwerkzeuge. Viel später (oder früher, einfach mal nachdenken!) vor etwa 4000 Jahren waren unsere Vorfahren dann in der Lage, Metallgegenstände wie Waffen, Gerätschaften oder Schmuck herzustellen. Dies war dann die Bronzezeit.

Wie würde man nun unter diesen Gesichtspunkten unsere derzeitige Epoche benennen? Meines Erachtens träfe kein anderer Ausdruck als ‚E-Zeitalter‘ den Kern unseres aktuellen Entwicklungsstandes besser. Das ‚E‘ als vorgesetzter Vokal hat unseren alltäglichen Sprachgebrauch in rasendem Tempo erobert. Wo man früher noch Briefe schrieb, sendet man heute fast nur noch E-Mails. Die Postkarte wurde von der E-Card abgelöst. Früher pflegte man Freundschaften – heute hat man Follower (hat zwar kein ‚E‘ vorne, aber Sie wissen schon, was ich meine). Der E-Scooter avanciert zum Nachfolger des zu-Fuß-gehens und Fahrräder ohne ‚E-Antrieb‘ sind heute schon fast die Ausnahme. Das Fortbewegungsmittel der Stunde ist das E-Bike und aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Beim Arzt bekommt man das E-Rezept und beim Reisen lädt man sich das E-Ticket auf sein Handy. Neulich am Flughafen kam ich mir wieder wie ein Hinterwäldler vor, weil ich am Gate der Einzige mit einer ausgedruckten Bordkarte war, während die aufgeklärten Hipster ihre auf dem Handy gespeichert hatten (hoffentlich machte deren Akku schlapp, bevor sie an die Reihe kamen).

Jetzt hatten ja alle Epochen aufeinander aufbauend ein gemeinsames Vielfaches, sie stellten einen deutlichen Vorteil bzw. Fortschritt und damit einen Zugewinn an Lebensqualität dar. Die durchschnittliche Lebenserwartung hat sich nahezu verdoppelt, die wöchentliche Arbeitszeit dagegen halbiert. Doch bringt uns die ‚E‘ Epoche ausschließlich bedingungslosen Fortschritt oder hat die Medaille auch dunkle Seiten?

Jeder Fortschritt bedingt zwangsläufig gewisse Nebenwirkungen. Zur Metallgewinnung wurden in Europa die Wälder abgeholzt, unsere Komfortgesellschaft verursacht durch den Mobilitätswahn zu Wasser, zu Land und in der Luft einen CO2 Ausstoß, der unser Klima beeinträchtigt.

Auswirkungen durch den derzeitigen überdurchschnittlich intensiven Gebrauch des Internets bedingt den Rückgang des allgemeinen Sprachgebrauchs, den Verlust der Fähigkeit zu schreiben und die Gefahr, die Allgemeinbildung auf einer externen Festplatte ausgelagert zu haben (dies gilt i. Ü. ebenfalls auch für Kultur und Anstand). Nun denn – sich der Entwicklung entgegenzustellen wäre ebenso falsch wie aggressive Leugnung und Kampf gegen den Fortschritt. Man sollte sich vielmehr mit einem ausgewogenen Maß an Besonderheit der Vorzüge des ‚E‘ Zeitalters bedienen, auch mal wieder einen Brief schreiben, das alte Fahrrad aus der Garage holen und die ‚analoge‘ Treppe neben der ‚E‘ Rolltreppe nutzen.

Wen jetzt das ‚E‘ stört, kann von mir aus auch das ‚M‘ oder das ‚B‘ Zeitalter wählen. Dann schließt sich der Kreis mit den Werkzeugen, wenn ich an Makita oder Bosch denke. Alles Gute für Sie – ob mit oder ohne Kabel.

Ihr
Gregor Kelzenberg