Ich bin immer wieder verwundert darüber, wie sich Redewendungen oder auch neue Wortschöpfungen in unseren Sprachgebrauch einschleichen. Erst nur so ein bisschen von der Seite, kaum bemerkt von der breiten Masse und nur vereinzelt ausgesprochen, zecken sich neue Phrasen in unsere Ausdrucksweisen ein und sind auf einmal da. (Die metaphorische Nutzung der Zecke an dieser Stelle ist ganz bewusst: erst bemerkt man sie gar nicht und später ärgert man sich nur damit herum.)
Beispielsweise die neue Formulierung aus der heutigen Überschrift „danke – nicht dafür …“. Mindestens drei- bis viermal pro Woche endet bei mir ein Telefonat mit einem/r freundlichen Dienstleister:in mit dem Schlusswort „d. n. d.“ Was soll dieser Humbug? Ein „Bitteschön“ hätte doch auch gereicht. Im angelsächsischen Sprachgebrauch würde ich es vergleichen mit dem in meinen Augen (bzw. Ohren) viel zu oft gehörten „you’re welcome“. Ob Dir ein Kellner das Essen serviert oder die Strandkorbverleiherin das Wechselgeld aushändigt – immer säuselt man dir, flankiert mit einem oft aufgesetzten Lächeln, ein „you‘re welcome“ hinterher und meint, den Empfänger in Wohlwollen zu wiegen.
Unsere immer freundlichen niederländischen Nachbarn schließen ihre Gesten oft mit einem „alst het u belieft“ ab. In der Regel vernimmt man nur ein „Assablief“ und meint, es wäre ein limburgischer Karnevalsruf mit Heineken-Duft. Es steht aber, wörtlich übersetzt, für die Freundlichkeitsformel … „wenn es Ihnen beliebt„ … und klingt fast höfisch. In manchen niederländischen Geschäften steht ein „a.u.b.“ von innen an der Tür und hofiert den Gast mit dem freundlichen Geleit alst u belieft.
Wer auch einen ähnlichen Sprach-Appendix im Portfolio hat, sind meine geliebten Österreicher, zumindest die jüngere Generation. Ich liebe dieses Land nicht nur wegen seiner Berge, dem Schnee (zum Skilaufen) und seiner ausgezeichneten Küche. Ich genieße im Besonderen den Laut ihrer Sprache und die Freundlichkeit der Menschen. Selten endet im österreichischen Sprachgebrauch (also zwischen Gast und Dienstleister) ein Satz ohne das Anhängsel „passt schoo“. Da erheitert es, ein Trinkgeld gegeben zu haben und man erfreut sich an der entgegengebrachten Lässigkeit. Ich wurde schon mal beim Tanken mit einem freundlichen „passt schoo“ angelächelt, als ich an der Kasse 50,03 € auf der Uhr hatte und ’nen Fuffi hinlegte. Haben Sie sowas schon mal in Deutschland erlebt?! Bei uns gilt: wer für 50,03 € getankt hat, zahlt auch 50,03 €. Punkt! Ich würde mir wünschen, auch bei uns dieses „passt schoo“ öfter zu hören, nicht wegen der 3 Cent, sondern wegen der allgemeinen lockereren Grundeinstellung.
Doch zurück zu den Kuckucks-Wörtern, die man uns ins (Sprach-)Nest gezwängt hat. Ich denke vor allem an die coronatechnisch entstandenen Wortschöpfungen wie Impfdrängler, Alltagsmaske oder Hospitalisierungsindex. Allein die Corona Krise hat uns, nach Angaben deutscher Sprachforscher, über 1.200 neue sogenannte Neoglismen beschert. Davon wird die Hälfte wieder im Nichts verschwinden, die verbleibende Hälfte wird sich leider etablieren. Selbstverständlich soll sich eine Sprache wandeln und sich den Zeiten anpassen. Aber wie sagte schon der Aphoristiker Werner Braun: Nicht die Zeiten ändern sich, sondern die Menschen.
Und wie schnell die Menschen auf ihre äußeren Umstände reagieren, spiegelt sich in dem Wort ‚Hamsterkäufe‘ wider, welches hinsichtlich des Toilettenpapierbedarfs am Anfang des Jahres 2021 eine ganz besondere Bedeutung hatte.
Ihr Gregor Kelzenberg