Ich komm von diesem Thema einfach nicht los. Ständig fallen mir Menschen auf, bei denen es scheint, als wären sie mit ihrem Mobilfunkgerät (zur Vereinfachung nachfolgend ‚Handy‘ genannt), verwachsen.
In der menschlichen Evolution sind im Laufe von Millionen Jahren sogenannte Rudimente zurückgeblieben, weil ihre Ursprünge schlichtweg nicht mehr gebraucht wurden. Ob es nun die Körperbehaarung (dafür gibt es H&M, Zara oder P&C), die Eckzähne (zum Verzehr eines Cheeseburgers braucht man keine Reiß- zähne) oder das Steißbein (wie sollten wir als Schweifträger eine Jeans tragen können) betriff t, was nicht mehr gebraucht wird, fl iegt raus. Anderseits entwickeln sich neue Körpereigenschaften, die sich im Laufe der Zeit als nützlicher erwiesen haben, als zu dem Zeitpunkt, als der liebe Gott den Menschen erschaff en hat. Aus dem lange zurückliegenden Biologie-Unterricht fallen mir beispielsweise der sich immer länger entwickelnde Hals der Giraff e oder die riesigen Ohren zu Abkühlungszwecken beim Wüstenfuchs ein.
Was hat das alles nun mit den Menschen und deren Handys zu tun? Ganz einfach: Wie sinnvoll wäre ein dritter Arm, möglichst etwas länger als die zwei werkseitigen Standardausführungen, um beim Anfertigen von Selfi es eine bessere Perspektive zu haben?! Zwei USB Slots im Nacken, eine Bluetooth Schnittstelle und interne InEar Kopfhörer, damit man beim Duschen nicht die teuren Dr. Dre Kopfhörer ruiniert. Eine im Autositz oder im Bett integrierte, kabellose Lademöglichkeit für die im Körperchip gespeicherten Apps (z. B. erweiterte Intelligenz, Anstand oder Umgangsformen ‚Knigge 3.2‘) wären auch nicht schlecht.
Man stelle sich vor, beim Arztbesuch wird schon im Wartezimmer ein Interfacekabel angeschlossen (dezent in der Achselhöhle versteckt) und der Arzt sucht mit Dir am Bildschirm nur noch ein paar Medikamente aus. Oder Sex! Wie viel Zeit könnte man einsparen, hätte man das neue Erotikmodul runtergeladen. All das langwierige Gebalze, vorher lecker was Kochen, über Rotweine, natives Olivenöl und Jazz schwafeln wäre Geschichte. Keine Zeit mehr verschwenden mit Schuheputzen oder Krawattenbinden. Mit der erweiterten Tinder App und den in der Stirn integrierten mehrfarbigen LEDs (leider aufpreispfl ichtig!) ist alles ruckzuck erledigt. Schweife ich zu weit aus? Sorry
Zurück zu den Fakten: Wenn Sie durch die Stadt laufen, begegnen Ihnen viele, meist jüngere Menschen, bei denen weiße Kabel aus den Ohren kommen. Sind die noch nicht fertig oder was? Achten Sie mal darauf, wie viele Menschen selbst beim Verrichten alltäglicher Dinge (Rosen schneiden, Nägel lackieren, Ticket kaufen am Fahrscheinautomaten oder beim Bezahlen an der Supermarktkasse) ihr Handy am Ohr eingeklemmt haben. Nicht nur, dass man davon Nackenschmerzen bekommt, es ist auch der Sache undienlich, wenn beispielsweise die Kassiererin Fragen hat, und man sich dem Gesprächspartner gegenüber für die Konversations-Unterbrechung entschuldigen muss. Neulich habe eine junge Frau beobachtet, die beim Einsteigen in den Bus mit Kinderwagen (!!!) ein iPad am Ohr eingeklemmt hielt.
Im Urlaub auf einer kleinen griechischen Insel fi el mir in einem Kloster aus der Jahrtausendwende ein älterer, ehrwürdiger Mönch mit langem schwarzem Bart auf, der ein iPhone 7s am Ohr hatte und mit der freien Hand ein Samsung Galaxy bediente (… sag der Zukunft hallo …). Zum Abschied deutete er eine kurze Verbeugung an und entließ uns mit einer segnenden Geste aus der Klosterpforte. Beeindruckend!
Besser als die Familie, bei der sich Vater, Mutter und zwei halbwüchsige Kinder beim Abendessen im Hotel nichts-sagend am Tisch gegenüber saßen, und in ihren Handys oder Tablets versunken waren. Selbst beim Essen der Vorspeisen verharrten die Blicke auf den Displays. In einer wissenschaftlichen Studie in Texas hat man neulich festgestellt, dass 70 Prozent der Paare dieses sogenannte ‚Phubbing‘ betreiben und partnerschaftliche Beziehungen deutlich darunter leiden.
Glauben Sie mir, die Erde dreht sich durch das ständige Telefonieren, Posten und E-Mails checken nicht schneller und unsere To-go-Generation spart dadurch auch keine Zeit. Sie verliert nur welche und versäumt dabei, zu leben.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Gregor Kelzenberg