Als ich vor Kurzem mit meiner Frau aus dem wohlverdienten Urlaub nach Deutschland zurückkehrte, war irgendwas anders. Es wollte sich uns nur nicht auf Anhieb erschließen. Wir hatten nach wie vor Rechtsverkehr, Frau Merkel hatte nicht den Friseur gewechselt, ich konnte mit Euro bezahlen und Helene Fischer sang immer noch.
Was hatten wir nur verpasst? Ich schaue im Urlaub kein Fernsehen und lese morgens beim Brötchenkauf nur die Überschriften der Tagespresse, sofern die Geschwindigkeit des Mopeds dies zulässt. Erst bei näherer Betrachtung der meist jugendlichen Bevölkerung fi el mir auf, dass sie sich irgendwie anders verhält: Egal welchen Geschlechts, man rennt mit gesenktem Kopf und den Blick starr aufs Handy gerichtet aufgeregt durch die Gegend. Mal alleine, mal in Horden. Zählen die ihre Schritte oder fotografi eren die das Moos zwischen den Bürgersteigplatten?
Meine Kinder haben es mir dann schnell erklärt: In Deutschland ist das Pokémon Fieber ausgebrochen. Kein Zika-Virus, kein Ebola, Pokémon heißt die Seuche und hat schon viele, viele befallen. Ein Gegengift ist bekannt, es heißt Verstand, ist jedoch schwer dranzukommen … Die Jagd auf Pikachu & Co. hat die Bevölkerung fest im Griff.
Es stimmte mich nachdenklich und ließ mich über die Sammelleidenschaft meiner Jugend, beziehungsweise meiner Generation grübeln. Ich war kein Fan von Fußball-Sammelbildern und an den deutlich später aufkommenden Ü-Eiern hatte ich wenig Interesse.
Die Helden meiner Sammlerjugend hießen Lurchi, Hopps und Unkerich. Ich war stolzer Besitzer der kompletten ZDF Mainzelmännchen Crew (Anton, Conni, Det usw.) und würde sie, wenn ich sie heute noch hätte, in einer alarmgesicherten Panzerglasvitrine neben meiner Bronze-Medaille der Bundesjugendspiele 1973 ausstellen.
Ich hatte sie alle: Den Trimmy mit erhobenem Daumen vom Deutschen Sportbund, das schwarze Palomino Pferd von C&A und den Mann von Mister Minit in seinem roten Sakko. Woche für Woche zierte ein anderer Schlüsselanhänger mein Fahrradschloss und manche Favoriten standen auf der Bestenliste, etwa Wum (auf dem roten Kissen – ohne Wendelin) oder der kleine grüne Drumbo von der Dresdner Bank. Eine wahre Ikone als Werbebotschafter war Bruno, besser bekannt als das HB Männchen. Zu seiner Zeit hatte er in Deutschland einen höheren Bekanntheitsgrad als Helmut Kohl. Vom gleichen Zeichner stammte übrigens viele Jahre später auch der Hustinettenbär.
Eine Marke ohne entsprechende Symbolfigur hätte mein Vertrauen niemals erreicht. Leider ist der Trend heutzutage rückläufi g die Werbefi gürchen sind auf dem Rückzug. Adieu dem Teddy von Bärenmarke, tschüss Ronald McDonald. Dabei waren sie doch sooo pflegeleicht: allesamt Nichtraucher, keine Skandale, keine ständigen Gehaltsforderungen und so weiter, und so weiter …
Heutzutage identifiziert man sich mit positiv verknüpften Gesichtern. Ich fühl mich zwar nicht wie George Clooney, wenn ich Nespresso trinke und renn auch nicht „dibadibadu“ pfeifend zur ING Bank, wenn ich Dirk Nowitzki oder einen Basketball sehe. Dennoch sind die Werbegesichter von früher nicht wegzudenken: Tilly mit den Spülfi ngern, Meister Proper mit dem Ring im Ohr oder Thomas Gottschalk und die Goldbären – im Übrigen heute erfolgreich abgelöst von Michael Bully Herbig. Eine gute Besetzung. Ich kauf das Zeug.
Bei einer Malaktion in österreichischen Grundschulen hat es vor Kurzem einen psychologischen Test mit Kindern gegeben, in dem sie eine Kuh mit Buntstiften malen sollten. Mehr als ein Drittel der Knirpse malte die Kuh in Lila! Und die soll nun abgeschaff t werden? Ich bitte Euch!
Mal seh’n, ob die heute 4- bis 5-Jährigen bei einem ähnlichen Test, wenn es um die zeichnerische Darstellung eines Fernsehers geht, auf der Mattscheibe einen Mann mit Vollbart im blauen Hemd kritzeln. Die sind doch nicht blöd …
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Gregor Kelzenberg