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STREIT AM GARTENZAUN von Jens Klausnitzer
»Es hätte alles so einfach sein können, alles, wirklich alles!«, klagte Kriminaltechniker Benjamin Bauch. »Aber es ist leider nichts einfach, gar nichts! Der Boden ist nicht zu hart und nicht zu weich, er ist mittel und damit genau richtig! Es hätte wirklich alles so einfach sein können!“
Alles nicht so einfach
Kriminalhauptkommissarin Karola Kopf, die sich mit zwei uniformierten Beamten am Gartenzaun unterhalten hatte und nun auf die Wiese hinter dem weißen Einfamilienhaus zurückkehrte, deutete mit dem Arm in Bauchs Richtung und erkundigte sich bei ihrem Kollegen Holger Herz: »Was hat er denn?« Herz hob die Augenbrauen. »Er ist traurig, weil er nur Schuhabdrücke von einer Person, nicht aber von drei Personen finden kann. Dabei sind nach einer Zeugenaussage drei Personen nacheinander über diesen Acker geflohen, auf dem wohl einmal Beete angelegt werden sollen. Aber weil sie alle an den gleichen Punkten auf den Boden traten, gibt es eben nur diese Schuhabdrücke von dieser einen Person!«
Steinwurf
Der Hausbesitzer, von einem durch das offene Fenster in die im Erdgeschoss des Hauses liegende Küche geworfenen Stein getroffen und schwer am Kopf verletzt, war vom Notarzt in die Klinik gebracht und dort wegen dieser Verletzung ins künstliche Koma versetzt worden. Seine Angehörigen, Ehefrau und Tochter, hatten die Kollegen schon informiert, sie befanden sich auf dem Weg zurück nach Hause.
Zeugin im Nachbarhaus
Karola Kopf und Holger Herz konnten also im Moment nur mit der Zeugin sprechen, einer Frau aus einem Nachbarhaus, die sie schon am Gartenzaun erwartete. Eine kurze Zeit sahen die beiden Kommissare noch ihrem Kollegen zu, der in der Morgendämmerung in gebückter Haltung die Spuren betrachtete und jeden einzelnen Abdruck mit seiner Kamera dokumentierte, dann gingen sie zu der Nachbarin.
Der Höhepunkt
»Dieser Streit zwischen den beiden Familien dauert schon Jahre!«, erzählte sie. »Die in dem weißen Haus können die in dem blauen Haus nicht leiden, die in dem blauen Haus können die in dem weißen Haus nicht ausstehen. Schlimmer noch, sie hassen sich, abgrundtief und von ganzem Herzen, wie man so sagt. Mal ist es ein über den Zaun hängender Ast, an dem sie sich abarbeiten, mal eine stinkende Mülltonne, ein zu lautes Auto oder eine Katze, die über das Grundstück schleicht. Sogar wegen eines Fensters, das die Sonnenstrahlen ungünstig reflektiert hat, sind sie schon mit Besen aufeinander losgegangen. Die Polizei war schon oft hier, Ihre Kollegen tun uns anderen Leuten hier echt leid!« Sie schüttelte den Kopf. »Letzte Nacht allerdings, das war dann schon so etwas wie der schlimme Höhepunkt, denn so schlimm war es noch nie. Sie haben gebrüllt und auf Gegenstände geschlagen, aber wirklich körperlich attackiert hatten sie sich bis dahin noch nie!«
Vermummte Gestalten
Kurz nach drei Uhr in der Nacht hörte die Zeugin laute Stimmen und sah schließlich Mutter, Vater und Sohn aus dem blauen Haus auf der Terrasse des weißen Hauses. »Eigentlich habe ich nur drei Gestalten in drei Kapuzenjacken gesehen, die ich nicht unterscheiden konnte, die drei Familienmitglieder haben ja eine ähnliche Größe und fast die gleiche Statur. Aber an ihren Stimmen habe ich sie erkannt!«
Der Streit
Die ganze Familie hatte mit dem späteren Opfer gestritten, das sich, weil Frau und Tochter bei den Schwiegereltern waren, allein kaum wehren konnte. Irgendwann war aber doch Schluss, der Mann hatte die Terrassentür zugeworfen und die Familie war abgezogen. »Hintereinander, einer nach dem anderen, schreiend und kreischend in sechs gelben, in der Dunkelheit leuchtenden Gummistiefeln. Aber die letzte Person in dieser Reihe warf dann eben noch diesen Stein in die Küche!«
Verräterische Gummistiefel
Bei der Familie in dem blauen Haus sahen sich die beiden Kommissare und der Kriminaltechniker dann genau diese drei Gummistiefel-Paare an, drei gleiche Modelle in unterschiedlichen Größen, die ordentlich nebeneinander hinter der Haustür standen. Das kleine Paar gehörte »Mami«, wie angeblich lustige Sticker verrieten, das große »Sohni« und das mittlere »Papi« …
Wissen Sie, wer der Täter war, der das
Opfer verletzte?