Wenn in der neuen Saison (hoffentlich) wieder Fans in die Bundesligastadien dürfen, wird sich das nach einem Jahr voller Distanz ganz besonders anfühlen

 

Block 11, Reihe 11, Platz 22, Oberrang Seite – das bunt bedruckte, postkartengroße Stück Pappe war an diesem 17. November 1990 nicht nur die Eintrittskarte zum Bundesligaspiel zwischen Borussia Mönchengladbach und dem VfB Stuttgart, sondern für mich definitiv auch eine in eine neue Welt. Zwölf Jahre war ich damals alt, und den großen Fußball kannte ich bis dato nur aus dem Fernsehen. Klar, das war auch aufregend – nicht zuletzt dank der Deutschen Fußball-Nationalmannschaft, die im Juli in Italien Weltmeister geworden war. Da hatte ich bei den Spielen vor dem Fernseher gesessen, mit Deutschland-Shirt und Fahne und habe gejubelt, als Andreas Brehme uns zum Weltmeister geschossen hat.

Nun aber ging ich mit meinem Vater den Schürenweg hoch und sah nicht nur die Flutlichtmasten des Bökelbergstadions, sondern auch jede Menge Gleichgesinnte. Tausende Fans in Trikot oder Kutte, mit Borussia-Schal und Mütze. Alle gingen sie in dieselbe Richtung, kauften Würstchen, Schals oder eine Dose Bier. Das hier, das begriff ich sofort, ist etwas anderes, als Fußball auf der Wohnzimmercouch zu schauen. Ich war nun nicht mehr ein Zuschauer aus der Ferne, der seiner Lieblingsmannschaft die Daumen drückt, nein, ich war Teil des Ganzen und ganz nah dran.

In der zurückliegenden Saison 2020/21 musste ich nach rund 30 Jahren als begeisterter Borussia-Fan und Stadiongänger wegen Corona plötzlich auf Abstand gehen. Und auch, wenn es im vergangenen Jahr gewiss größere Probleme gab: Das hat weh getan, es hat ein wichtiger Teil in meinem Leben gefehlt.

Borussia hat für mich im letzten Jahr wieder nur im Fernsehen stattgefunden. Keine Gleichgesinnten, die zu Tausenden in Richtung Stadion strömen, die durch ihre Unterstützung Spiele umbiegen können. Kein allwöchentliches Wiedersehen guter Bekannter auf der Tribüne, kein gemeinsames „Die Elf vom Niederrhein“ vor dem Anpfiff und keine Europapokalreisen nach Mailand oder Madrid. Den grandiosen 3:2-Sieg gegen die Bayern habe ich alleine im Wohnzimmer geschaut, genau wie das wahnsinnige 2:2 gegen Real Madrid. So wichtig es auch war, dass die Fans auf der einen Seite zu Hause geblieben sind und die Saison auf der anderen Seite trotzdem gespielt werden konnte: Das wirklich echte Borussia-Gefühl konnte leider nicht aufkommen.

Ich habe mich schon früh für Fußball interessiert. Wollte immer die Sportschau gucken und dann auch bald ein Borussia-Trikot haben. Habe alles Mögliche rund um die Borussia gesammelt und mir Wissen angeeignet. Wirklich verliebt in diesen Verein habe ich mich wahrscheinlich aber erst in dem Moment, nach dem ich an diesem 17. November 1990 die Betontreppe des Bökelbergstadions emporgestiegen bin und plötzlich auf den von Flutlicht angestrahlten grünen Rasen geschaut habe. Rund um mich herum Tausende Fans, die genau wie ich an diesem Nachmittag nichts mehr wollten als einen dreckigen Abstiegskampf gegen den VfB (den es dann zum Glück auch gab).

Block 11, Reihe 11, Platz 22, Oberrang Seite – meine erste Eintrittskarte hat einen Ehrenplatz bei mir zu Hause und wird vermutlich bald Gesellschaft von einem anderen Ticket bekommen. Denn in der neuen Saison wird es (hoffentlich) wieder möglich sein, Spiele im BORUSSIA-PARK zu verfolgen. Jede Wette: Dann wird es sich so anfühlen wie damals mit zwölf Jahren. Plötzlich ist man nicht mehr nur Zuschauer, sondern wieder Teil des Ganzen. Lautstark, emotional, nah dabei. Und das wird wunderschön.

mle