Wir müssen reden! Jetzt, relativ kurz nach dem Jahreswechsel, sind die Eindrücke vom Fest noch frisch und es soll ja ganz hilfreich sein, einfach mal über alles zu reden. Nun erschrecken Sie bitte nicht, wenn Sie vom Anlass meines Entsetzens lesen! Alle Leserinnen sollten diese Seite tunlichst überblättern oder jetzt sehr, sehr stark sein …
Es geht um Handtaschen
Im Prinzip sind es doch nur bunte Beutel, die aus den gegerbten Häuten irgendwelcher Grasfresser zusammengeschustert wurden – oder? Wer zum Teufel hat eigentlich diese sinnlosen Geldvernichtungssäcke erfunden? Es kann unmöglich ein Mann gewesen sein.
Mir stellen sich in diesem Zusammenhang noch viel mehr Fragen: Wie viele dieser angeblich sooo stylishen Unterarmkoffer sollte eine durchschnittliche Frau besitzen? Warum kostet eine zurzeit angesagte Trend-
tasche so viel wie ein gebrauchter Kleinwagen? Wo liegt der Nutzen solcher Designer-Beutel, in denen man – beziehungsweise sie – sowieso nichts findet oder unterbringen kann? Jedenfalls hat der Schöpfer dieser Dinge
a) ohne Verstand gehandelt; war b) unverheiratet und/oder ohne Töchter oder
c) Aktionär von Gucci, Hermès, Prada & Co.
Eine besondere Spezies dieser Taschen ist eine sogenannte Clutch – gesprochen ‚Klatsch‘, wie Matsch. Die Bezeichnung stammt aus dem Englischen und bedeutet so viel wie ‚umklammern‘. Das sollte man auch, denn die kleinen Dinger sind meistens ganz schön teuer.
Schon als Jugendlicher habe ich mich bei Theaterbesuchen oder anderen festlichen Anlässen gefragt, was diese gestauchten Karpfen ohne Henkel eigentlich können. Und vor allem: Was zum Henker mag da wohl drin sein? Mich erinnerten die Dinger immer an die Werkzeugtäschchen, die am Herrenrad unterm Sattel baumelten. Deren Inhalt: ein ovales Döschen Flickzeug, ein Knochen, zwei Felgenheber und ein altes Baumwollläppchen. Dort gilt strikt das Motto: „Man braucht nicht viel, nur das Wichtigste“.
Nun, heute, nach fast 30 Jahren Ehe mit zwei nahezu erwachsenen Töchtern, weiß ich, was sich in einer Clutch befindet: Ein Smartphone, ein Lipgloss, ein winziger Spiegel, natürlich die EC-Card und anderes Frauengedöns, für das ich keine Vokabeln kenne. Alles andere darf ich dann in meiner 5-
Pocket-Jeans unterbringen: darunter der Haustür- und Wagenschlüssel, ein dackelgroßes Brillenetui, die Zigarettenschachtel nebst Feuerzeug, ein Päckchen Tempos sowie die High-Heels-Pflaster und warme Stopper-Socken für den Nachhause-Weg.
Macht nix: Ich wollte ja sowieso nur an der Theke stehen und bei einem Bier über Ratenzahlung nachdenken. Meine Tochter hat nämlich eben getwittert, sie hätte in Düüüüsseldorf eine eeendgeile Clutch im Schaufenster gesehen. Was soll´s? Bald ist wieder Trödelmarkt. Ich such dann mal nach ’nem Satteltäschchen.
Ihr Gregor Kelzenberg