Wir lieben die Niederlande | Teil 3: In den Niederlanden gibt es entscheidende Unterschiede, die Vorweihnachtszeit zu begehen. Es ist vor allem: lustiger

„Hallo zusammen, da sind wir wieder mit dem Sinterklaas-Journaal!“ Vielleicht lässt sich die Leichtigkeit, mit der die Niederlande die Weihnachtszeit zelebriert, am besten anhand einer ziemlich skurrilen täglichen ‚Nachrichtensendung‘ erklären. Auch 2020 sitzen täglich ab 18 Uhr nicht nur Kinder vor dem Fernseher. Ab Mitte November wohlgemerkt, denn die Ankunft von Sinterklaas, dem in den Niederlanden verbreiteten Namen für den Heiligen Nikolaus, mit seinem Dampfschiff voller Geschenke aus Spanien läutet hier die Vorweihnachtszeit ein. Natürlich ist das die Top-Meldung des Tages. Die Helfer beginnen, die Geschenke zu sortieren? Ein Bürgermeister empfängt Sinterklaas? Das sind alles wichtige Nachrichten, die in den Tagen darauf so ernsthaft wie möglich und doch mit deutlichem Augenzwinkern aufbereitet werden.

Der auf den ersten Blick größte Unterschied zwischen der deutschen und der niederländischen Weihnachtszeit ist der Tag der Bescherung. Die Kinder werden nicht an Heiligabend, sondern am ‚Pakjesavond‘ beschenkt, dem Abend des 5. Dezember. Nach Anbruch der Dunkelheit klopft es an der Tür. Wenn die Kinder erwartungsfroh die Klinke herunterdrücken, finden sie dort ’nur noch‘ einen großen Sack voller Geschenke. Sinterklaas ist dann schon weitergezogen und reitet auf seinem Schimmel über die Häuserdächer.

Sinterklaas ist fast so etwas wie ein Popstar. Seine Ankunft mit dem Schiff, die normalerweise in zahlreichen Städten mit Fluss zelebriert wird wie bei einer Parade im Disney- Land, lockt Besucher – nicht wenige verkleidet als Sinterklaas oder dessen Helfer. Beim anschließenden gemeinsamen Singen werden Bonbons und Pfeffernüsse in die Menge geworfen, es gibt Zuckerwatte und Luftballons – ein bisschen Kitsch und Karneval ist auch dabei, der kirchliche Hintergrund der Nikolaus-Geschichte steht eher im Hintergrund. In diesem Jahr verzichten die Niederländer auf die ‚Live-Version‘ und überraschen die Kinder vielleicht am TV-Schirm.

Das schmälert aber nicht die Vorfreude der Kinder – im Gegenteil. Sie stellen gleich mehrere Male ihre Stiefel vor die Haustüre (und werden in der Zeit bis zum Pakjesavond auch mehrfach mit Süßigkeiten dafür belohnt), laufen im Sinterklaas- Kostüm herum und singen Lieder. Die etwas größeren Wünsche werden dann am 5. Dezember erfüllt. Die Erwachsenen beschenken sich an dem Abend gegenseitig mit ‚Surprises‘. Hier ist manchmal die phantasievolle oder verrückte Verpackung wichtiger als das Geschenk, ebenso ein dazu verfasstes Gedicht (in dem der Beschenkte ausdrücklich auf die Schippe genommen werden darf).

Nach dem Pakjesavond kehrt dann so etwas wie Besinnlichkeit ein. Dann, wenn Sinterklaas mit seinem Stoomboot wieder verschwunden ist, geht es aber auch in den Niederlanden auf Weihnachtsmärkte, es werden Weihnachtsbäume verkauft, und es gibt am 25. oder 26. Dezember wie bei uns ein Festessen mit der Familie. Das klingt dann schon etwas weniger verrückt. Und: Ehrlicherweise gibt auch viele Niederländer, die wie wir an Heiligabend Bescherung feiern.

So weit, so normal. Aber von da an sind es nur wenige Tage bis zum 1. Januar. Denn dann springen die Niederländer traditionell in die eiskalte Nordsee, in Badehose oder Bikini und mit einer bunten Pudelmütze auf dem Kopf. Das Neujahrsschwimmen. Aber das ist eine andere etwas verrückte Geschichte.

mle