Wir sind das Volk! Wir sind das Volk!“ Krefeld, Kulturfabrik. Es muss ungefähr zehn Jahre her sein, dass Funny van Dannen, ein Liedermacher aus der Nähe von Hannover, sein knapp zweistündiges Konzert inklusive Zusagen beendet hat, seine Akustikgitarre nimmt und von der Bühne geht. Das Licht geht an, die große Ausgangstüre öffnet sich, und per Lautsprecher wird durchgesagt, dass die Halle nun geräumt werden müsse wegen der anschließenden Achtzigerjahre-Party. Aber das Publikum mag nicht gehen, will mindestens eine weitere Zugabe hören. „Wir sind das Volk, wir sind das Volk“, skandieren sie. Und tatsächlich, der Künstler kehrt unter dem großen Jubel des Publikums doch noch einmal zurück, spielt sehr zum Leidwesen von Licht- und Tontechnik doch noch zwei weitere Songs, und das Publikum geht selig nach Hause.

Es sind diese besonderen, magischen Momente, die bei jedem Konzert passieren können, wenn die Stimmung gut ist und das Publikum eins geworden ist mit den Künstlern. Wenn ein Fan auf die Bühne darf und das nächste Lied im Duett mit dem Sänger singt. Wenn ungeplante Dinge passieren wie damals, als Dave Grohl von den Foo Fighters bei einem Konzert in Schweden von der Bühne stürzt, sagt: „Ich glaube, ich habe mir gerade ein Bein gebrochen“, sich im Krankenhaus einen Gips verpassen lässt und das Konzert auf Krücken beendet. Oder wenn Tote-Hosen-Sänger Campino den Text eines Liedes vergisst, das die ganze Halle mitsingen kann. Hach, Live-Konzerte, was seid ihr großartig. Und was habt ihr uns im vergangenen Jahr gefehlt.

Natürlich, es gab zwischendurch diese Versuche, dass Konzerte im Autokino durchgeführt wurden, bei denen alle in ihren Fahrzeugen sitzen bleiben und der Applaus des Publikums per Hupe und Scheinwerfer erfolgt. So konnten Veranstalter und Künstler in dieser trostlosen Zeit wenigstens etwas Geld verdienen. Aber, natürlich, es ist einfach nicht das Gleiche. Im Auto sitzend lässt es nicht so gut im Beat mitwippen, Gruppendynamik kommt so gut wie keine auf, und das Bier schmeckt auch nicht so gut, als wenn man, verschwitzt und schon ein bisschen heiser und mit den Scheinwerfern der Bühne im Gesicht, sich kurz erfrischt. Kein Wunder, dass Helge Schneider kürzlich gesagt hat, dass er nicht vor Autos auftreten mag.

Es ist auch einfach nicht dasselbe. An meiner Pinnwand hängen viermal zwei Karten für Konzerte, die 2020 und 2021 stattfinden sollten. Keins davon abgesagt, alle verschoben, teilweise schon zweimal, ehrlich gesagt habe ich da den Überblick ein wenig verloren. Aber dennoch bekomme ich gute Laune, wenn ich die glänzenden Tickets auf ihrer schweren Pappe sehe. Konzertkarten sind oft ziemlich teuer, aber dem Anlass entsprechend hochwertig gestaltet – wie die Einladung zu einer besonderen Feier.

Und das soll ein Musikkonzert schließlich auch werden. Es ist eine Möglichkeit, seinem Lieblingskünstler für einen Abend sehr nah zu kommen und auch, unter seinesgleichen zu sein. Wenn bei einem Fußballspiel immer auch Menschen im Stadion sind, die der anderen Mannschaft die Daumen drücken, befinden sich bei einem Live-Konzert logischerweise ausschließlich Anhänger der Band, die auftritt. Eine hoffnungslos subjektive Abfeierei der Lieblingskünstler

Deswegen ist am Anfang eines Konzerts der Jubelschrei so groß, wenn sich andeutet, dass die Band die Bühne betritt und es losgeht. Wenn der US-amerikanische Leadsänger den Städtenamen Mönchengladbach unfallfrei aussprechen kann und das erste Lied direkt ein richtiger Kracher ist, bei dem alle mitsingen können.

Diese Energie, dieses Mittanzen, dieses Sich-inden-Armen-Liegen mit guten Freunden und sogar Fremden, die einem in dem Moment doch so nah sind. Diese Momente, wenn der Sänger das Mikrofon in die Menge hält und alle mitgrölen. Wenn die Lieblingsballade in einer Rockversion gespielt wird, dass die Korken knallen oder der Welthit von den Beatles als wunderbare Coverversion. Festivals, bei denen man drei Tage in der Nähe einer Musikbühne zeltet und über wenig anderes redet als über Musik. Musik, die noch Stunden später in den Ohren nachrauscht. Gänsehaut, Tränen in den Augen, vollgeschwitzte T-Shirts – Konzerte können einen im besten Fall emotional komplett durchschütteln.

Nach einem abermals trostlosen Winter 2021/22 dürfen wir hoffen, dass unter den dann noch geltenden Corona-Auflagen einige dieser glücksbringenden Momente möglich sind. Während im Herbst und Winter wieder Konzerte abgesagt und verschoben wurden, gibt es am Niederrhein für das neue Jahr ein aufregendes, abwechslungsreiches und prominent besetztes Programm. Allein in Mönchengladbach: Kasalla treten im Theater im Gründungshaus auf (29. April), Sarah Connor (8. Juni) und Mark Forster (23. Juni) im Hockey-Park. Status Quo (1. April) kommen nach Krefeld, Scooter (17. März), Max Giesinger (16. April), Eric Clapton (10. Juni) und Rammstein (18. Juni) nach Düsseldorf und Bryan Adams (21. März), Shindy (21. April), a-ha (15. Mai) und Dua Lipa (12. Mai) nach Köln. Hoffentlich!

Vielleicht hat Elvis Presley die Dinge perfekt zusammengefasst. Der Jahrhundertmusiker hat einmal gesagt: „Ein Live-Konzert ist für mich wegen der Elektrizität, die in der Menge und auf der Bühne erzeugt wird, aufregend. Es ist mein Lieblingsteil des Geschäfts.“ Daumen drücken, dass solche elektrischen magischen Momente 2022 wieder möglich sind.

mle