Gemeinsam mit zwei Freunden reist der 41-jährige Sven Vanderheiden aus dem Kreis Viersen im Sommer zur Fußball-Europameisterschaft kreuz und quer durch Europa. Verrückt? Vielleicht. Aber auch die Erfüllung eines Traums

Sven, erstmals findet die Fußball-Europameisterschaft nicht nur in einem, sondern in gleich zwölf verschiedenen Ländern statt. Das ist nicht sehr fan-freundlich. Trotzdem wirst du mit zwei Freunden kreuz und quer durch Europa unterwegs sein, um dir diverse Spiele anzuschauen. Wie kommt man auf so eine Idee?

Sven Vanderheiden Wie so oft bei einem gemeinsamen Bierchen. Es ist so: Während ein Kumpel und ich Borussia-Mönchengladbach-Fans sind, drückt ein anderer Freund einer anderen Borussia aus dem Ruhrgebiet die Daumen. Wir haben es immer bedauert, dass wir, weil unser Herz eben für unterschiedliche Klubs schlägt, nie in gemeinsamer Mission ins Stadion gehen können. 

Und das ist bei Länderspielen anders. 

Sven Vanderheiden Ganz genau. Seit Jahren treffen wir uns mit anderen Freunden zu den Welt- und Europameisterschaften, um gemeinsam die Deutschland-Spiele zu schauen. Während der WM 2014 kam uns die Idee, doch auch mal zu einem solchen Turnier zu reisen. Es war klar, dass wir für eine solche Tour erst einmal sparen müssen – und haben die EM 2020 ausgewählt. Ohne zu wissen, was das alles kostet haben wir fortan 60 Euro pro Monat zur Seite gelegt.  

Stand es da schon fest, dass die EM in mehreren Ländern ausgetragen wird? 

Sven Vanderheiden Ja, und das hat die Planungen natürlich schwerer gemacht. Aber ein Turnier, bei dem man viel von Europa zu sehen bekommt, hat ja auch durchaus seinen Reiz. Auf eine Weltmeisterschaft in Russland oder Katar hatten wir auch keine Lust. 

Nachdem sich Deutschland relativ locker für das Turnier qualifiziert hat: Wie habt ihr die Auslosung im vergangenen Dezember erlebt?

Sven Vanderheiden Natürlich anders als bei einem Turnier, das man sich hinterher nur auf dem Fernseher anschaut. Es hat schon gekribbelt: Gegen wen spielt Deutschland in der Vorrunde? Und vor allem: Wo? Denn abgesehen von der unklaren Ticket-Vergabe durften wir nicht viel Zeit verschwenden – denn es mussten schleunigst Flüge gebucht werden. 

Deutschland spielt alle drei Vorrundenspiele in München. Zufrieden damit?

Sven Vanderheiden Auf jeden Fall. Wir haben relativ schnell Flüge und Unterkünfte für München gebucht. Hätte sich Ungarn direkt für die EM qualifiziert – der Modus ist diesmal wirklich kompliziert – wäre ein Spiel in Budapest gewesen. Eine tolle Stadt, da wären wir auch gerne hin. So freuen wir uns aber erst einmal auf München. Auch wenn der erste Kontakt mit dieser Stadt etwas kurios war …

Das musst du erklären.

Sven Vanderheiden Als ich über das Online-Portal Airbnb ein Zimmer für drei Personen und zwei Nächte angefragt habe, haben wir uns schon über ein Schnäppchen gefreut: 120 Euro, mitten in München, während Deutschland dort bei der EM spielt. Ich kam mit dem Vermieter in Kontakt. Als ich ihm leichtsinnigerweise geschrieben habe, dass wir wegen der Europameisterschaft in der Stadt sind, hat er den Kontakt abgebrochen, eine Buchung war plötzlich nicht mehr möglich. Wenig später wurde das Zimmer für diesen Zeitraum neu angeboten – nun für 300 Euro! Offensichtlich war der Vermieter kein Fußball-Fan und hatte das Turnier nicht auf dem Schirm. 

Welche Spiele schaut ihr euch an? 

Sven Vanderheiden Gute Frage! Das hängt natürlich davon ab, wie Deutschland abschneidet. Wir hatten bei der Kartenvergabe Glück, haben Tickets für beide Halbfinal-Partien und so genannte ‚Follow-your-Team‘-Tickets für alle Deutschland-Spiele. Das heißt: Wenn Deutschland bis ins Finale kommt, bekommen wir Tickets für alle Spiele. Diese Karten mussten wir übrigens im Voraus bezahlen – und bekommen es natürlich zurückerstattet, wenn wir vorher ausscheiden. Sicher ist die Vorrunden-Woche in München – und die beiden Halbfinals, die ja in London stattfinden. Hier konnten wir eine Unterkunft buchen. Wie wir dahin kommen, ist noch nicht klar. Und alles andere geht nur kurzfristig.

Ist das nicht wahnsinnig stressig?

Sven Vanderheiden Was sollen wir machen? Je nachdem, ob Deutschland als Gruppenerster, Zweiter oder Dritter weiterkommt, wissen wir, in welchen Städten sie ab dem Achtelfinale spielen. Wird Deutschland Vorrunden-Erster, geht es in Bukarest und St. Petersburg weiter. Vor allem St. Petersburg ist wegen der weiten Anreise und teuren Flüge echt eine Herausforderung. Ehrlich gesagt hoffen wir auf Platz 2: Dann geht es nach Dublin und eine Runde später nach Rom – das wäre schon großartig. Wird Deutschland Dritter, geht es erst in Bilbao oder Budapest weiter und danach in Baku. Das klingt alles ziemlich aufregend, man kommt gut rum, kann aber nur schwer planen: Wo schlafen wir? Fliegen wir? Fahren wir Bahn, Bus oder mit dem Mietwagen? 

Und vor allem: Was macht euer Budget?

Sven Vanderheiden Ganz genau. Alleine für die Eintrittskarten sind schon 7.000 Euro weg von unserem Konto, insgesamt haben wir 12.000 Euro gespart. Die Tickets werden im Turnierverlauf immer teurer. Eine Karte fürs Endspiel kostet beispielsweise 595 Euro. 

Das ist ja Wahnsinn.

Sven Vanderheiden Ja, und wir drei wissen auch: Das machen wir jetzt nicht jedes Mal, vielleicht nur einmal im Leben. Klar ist das viel Geld, aber damit erfüllen wir uns auch einen Traum.

Hast du im Turnierverlauf einen Wunschgegner?

Sven Vanderheiden Ich freue mich darauf, rund um die Spiele Fans anderer Länder kennenzulernen. Ich war bei der WM 2006 bei zwei Spielen in Gelsenkirchen – gemeinsam mit wildfremden Menschen aus ganz Europa zu feiern ist doch toll. Es wäre toll, im Turnierverlauf gegen eine Mannschaft von der ‚Insel‘ zu spielen – denn da ist die Stimmung am besten. England und Wales sind ja schon qualifiziert. Irland, Schottland und Nordirland haben ja noch in den Play-offs die Chance. 

Wie schätzt du die deutschen Chancen bei diesem Turnier ein?

Sven Vanderheiden Ich glaube, dass wir eine gute Mannschaft zusammenhaben. Vielleicht nicht so in der Breite, weswegen sich keine Spieler mehr verletzen dürfen. Auch wenn die Vorrundengruppe nicht einfach ist, sage ich: Wir schaffen das. Gegen Portugal gewinnen wir immer. Auch gegen Frankreich ist alles drin. Und der dritte Gegner steht erst nach den Qualifikationsspielen Ende März fest – und der wird sicher ein machbarer sein. Ich glaube, dass das Halbfinale für Deutschland drin ist.

Auch der Europameistertitel? 

Sven Vanderheiden Natürlich hat zum Beispiel Frankreich weiterhin eine gute Mannschaft, auch England könnte sehr weit kommen. Deutschland? Das wäre natürlich der Hammer – allein schon, weil wir das dann im Londoner Wembley-Stadion live miterleben würden.

mle

Fussball Europameisterschaft 12. Juni – 12. Juli 2020