Wer schon einmal ein Studium abgeschlossen hat, weiß, dass es am Ende noch mal hart wird. Je näher die Prüfung rückt, umso kürzer werden die Nächte. Acht Studierende des Fachbereichs Textil- und Bekleidungstechnik der Hochschule Niederrhein haben sich in dieser Phase zusätzlich Arbeit auf den Tisch gezogen: Sie nehmen an der Neo.Fashion.2021 teil. Auf dem digitalen Catwalk der Nachwuchs-Designer bei der Fashion Week Berlin präsentieren sie ihre Kollektionen. Die Trends, die ihre Mode setzen, reichen weit über Schnitte, Stoffbeschaffenheit, Muster und Farben hinaus. Mit ihren Kreationen zeigen die jungen Frauen und Männer, dass große gesellschaftspolitische Themen wie Nachhaltigkeit, Klimawandel oder Umweltverschmutzung eine Rolle bei den Entwürfen spielen. Sie suchen Antworten auf die Frage, wie Ressourcen geschont werden können und trotzdem etwas Neues entsteht.
„Ein Beispiel ist das Thema Zero Waste“, sagt Professorin Jutta Wiedemann vom Fachbereich Textil- und Bekleidungstechnik. Dabei geht es darum, beim Zuschnitt der Stoffe möglichst keine Reste zu behalten oder Materialien zu recyceln. „Inzwischen werden aus PET-Flaschen Garne hergestellt“, nennt Wiedemann ein Beispiel. Auf der Neo.Fashion. werden kreative Lösungen aus Mönchengladbach präsentiert. Magdalene Keller hat sich Gedanken über die Verwendung von Omas geerbtem Pelz gemacht. Das Tragen echten Pelzes wird in der Mode zunehmend kritisch gesehen. Die Jung- Designerin untersucht, wie man daraus nachhaltige Garne herstellen kann.
Die Absolventin Nany Reich zeigt ein Stück Zukunft, die an der Hochschule Niederrhein schon Gegenwart ist: Ihre Kollektion ‚The illusion of shape‘ ist als 3-D-Simulation am Computer entstanden. Seit 2,5 Jahren wird diese Technik bei den Entwürfen von Damen- und Herrenmode neben den klassischen Zeichnungen
gelehrt. „Es gibt schon erste Präsentationen im Video, bei denen keine einzige Kreation realisiert ist. Sie sind alle digital“, sagt Wiedemann. Auch eine Gruppe ihrer Studierenden arbeitet an einem digitalen Showroom, der auf der Neo.Fashion. gezeigt wird. Die Digitalisierung wird auch die Herstellung und die Nutzung von Mode verändern. Erste Anbieter ermöglichen, sich Kleidung selbst zu konfigurieren oder einfach seine Jeans auf Zeit zu leasen.
„In den vergangenen fünf Jahren haben sich über die Digitalisierung die Arbeitsprozesse verkürzt. Berufsbilder verändern sich komplett“, sagt Wiedemann. „Die Studierenden müssen viel stärker interdisziplinär arbeiten.“ Im Maschinenpark der Hochschule lernen ihre Studierenden die textilen Produktionsketten kennen: Spinnen, Weben, Stoffdruck, das Stricken auf Strickmaschinen bis zum Ultraschall-Schweißen von Nähten.
Die spätere Karriere der Design-Ingenieure führt daher nicht unbedingt in die Modewelt. „Eine meiner Studentinnen ist jetzt im digitalen Spielebereich“, erzählt Wiedemann. „Sie entwirft die Kleidung der Figuren. Eine andere ist in der Entwicklung von schusssicheren Westen. Da geht es weniger um das Design als um die Funktion.“ Weil das Studium auch einen technischanalytischen Schwerpunkt hat, eröffnet sich für die Absolventen ein breites Spektrum an Karrieremöglichkeiten.
Garnet Manecke
Rund 70 Absolventen von elf Hochschulen nehmen an der digitalen Neo.Fashion. teil. Aus Mönchengladbach nehmen die Graduierten Anna- Louise Droemont, Joline Kaumanns, Kamil Demirov, Katerina Amprazi, Magdalena Keller, Nany Reich und Theresa Hofmann sowie der Graduierte in spe Gia Phuc Trinh teil. Die Jung-Designer werden in Kurzporträts vorgestellt. Ihre Kollektionen präsentieren sie in einem Video auf dem Youtube-Kanal der Neo.Fashion.