Ja, es war schlimm. Während der Ausgaben-freien-Zeit habe ich öfter darüber nachgedacht, ob ich dieses alles bestimmende Thema mit dem Anfangsbuchstaben C überhaupt kolumnistisch in die Hand nehmen soll. Mit etwas Abstand besehen denke ich heute, dass man rückblickend nicht umhinkommt, sich mit damit auch an dieser Stelle auseinanderzusetzen.

Man stelle sich nur mal vor, wir hätten in Deutschland von heute auf morgen den Links-Verkehr oder in den Tagesthemen würde uns abends Ingo Zamperoni verkünden, dass sich ab übermorgen unsere Amtssprache ins Niederländische ändere. Der Umgang mit diesem Neuen, völlig Ungewohntem hat uns komplett aus der Bahn geworfen. Für alles Mögliche gibt es Ratgeber, Apps und Verhaltensregeln. Aber eine Pandemie bei uns? Nicht mit mir! Die einschlägigen Hollywood Blockbuster à la Roland Emmerich und Konsorten auf einmal bei uns am schönen Niederrhein? Die spinnen doch…! Die Akzeptanz einer Mund- und Nasenmaske oder auch das generelle Social Distancing war und ist für viele von uns heute noch Hokus Pokus. Wer soll da noch den Durchblick bewahren, wenn sich im Netz die Virologen mit den Verschwörungstheoretikern aufs Übelste batteln? In diesem Durcheinander galt es erstmals, seine eigene Position zu finden.

Zum Beginn der Pandemie war man des C-Begriffes schnell überdrüssig und in vielen Medien wurden Wortphrasen wie ‚in diesen Zeiten‘, ‚an Tagen wie diesen‘ oder ‚aus gegebenem Anlass‘ benutzt, um das Elend nicht beim Namen zu nennen. Es war ja nicht möglich, sich medial der Krise zu entziehen. Beim Durchzappen kam abends in 18 von 20 Programmen eine Sondersendung zum C-Thema. Auf den beiden anderen Kanälen wurde wie immer eine Doku über Ice-Road-Trucker in Alaska gesendet und auf Arte eine Neuauflage eines expressionistischen Tanztheaters aus Tschechien (in s/w mit polnischen Unter-
titeln).

Als dann der Lockdown da war, konnte ich es kaum glauben, wie viele promovierte Virologen wir in Deutschland haben und diese sich regelrecht vor die Kameras drängelten wie in einer Casting-Show. Aber noch viel schlimmer war die Anzahl an schlechten Journalisten, die mit minimalstem Verstand und ebenso dürftigem Equipment (Smartphone oder so) über die Lage der Nation Bericht erstatteten. Kein Eiscafé, kein Streichelzoo und kein noch so schäbiges Tattoo-Studio blieb vom oberflächlichen Sensations-Journalismus verschont. Selbst das mieseste, einäugige Mitglied vom Sportgewehr-Schützen-Verein aus Erwitte-Anröchte durfte mit Tränen in den Augen davon berichten, wie sehr es seine Kameraden und das Schießen auf Pappscheiben vermisse.

Bei den Herren Spahn und Laschet habe ich bei den täglichen bzw. nächtlichen Talkshows immer nach dem Schlafsack im Fernseh-Studio Ausschau gehalten. Diese hatten gewiss eine anstrengende Lage hinter sich und m. E. Beträchtliches geleistet. Der gleiche Respekt gilt im Übrigen natürlich neben den Mädels bei Aldi, Lidl und Co auch allen anderen, die als Dienstleister das System aufrechtgehalten haben.

Man darf gespannt sein, ob sich die Kommission zur Findung beim Wort des Jahres auf einen Begriff aus der Krise einigen wird. Meine Favoriten wären ‚Maskenpflicht‘ oder ‚Mindestabstand‘, wobei in mir bei Letzterem traumatische Erinnerungen aufkommen. Ich hatte im Supermarkt eine fast kämpferische Auseinandersetzung mit einem couragierten Ruheständler, der mir mit einem Zollstock in der Hand den Sicherheitsabstand von 1,50 m einbläuen wollte. Ich habe es dann demütig über mich ergehen lassen, man war ja schließlich informiert.

Ich hoffe, dass Sie gut durch diese Zeit gekommen sind und wir bald wieder zu Campinos ‚An Tagen wie diesen‘ mit einem Alt in der Faust auf den Rheinwiesen tanzen und singen dürfen.

Bis dahin – bleiben Sie gesund und halten Sie durch!

Ihr
Gregor Kelzenberg