Erstmals findet in der Vitusstadt ein Teil des größten Radrennens der Welt statt, am 2. Juli führen 20 Kilometer der Tour de France durch Mönchengladbach. Seitdem die Streckenführung bekannt war, umtrieb den Urbano-Redakteur nur ein Ziel: den Tour-Abschnitt auf Mönchengladbacher Stadtgebiet mit dem Hollandrad zu erkunden.
Schöner. Doch, schöner ist mein Hollandrad schon. Gazelle, schwarzer Stahlrahmen, brauner Ledersattel. Ein Klassiker, war auch nicht ganz billig, mein ‚Fiets‘. Und doch musste ich mir von meinem Kumpel, der im Radsportverein ist, sofort anhören: „Materialnachteil!“ Stimmt schon, mein Drahtesel klappert ein wenig, bringt knapp 25 Kilogramm auf die Waage und hat eine Dreigangschaltung, der erste und zweite Gang tun es allerdings nicht. Kein Vergleich zu den Rennrädern der Tourfahrer, deren Rahmen nur 700 Gramm wiegen. Natürlich macht es keinen Sinn, mein Nutzrad mit diesen Hochleistungsrädern zu vergleichen, so wie es überhaupt keinen Sinn macht, sich mit den Leistungen der Rennradprofis zu messen.
Die Idee aber, den Tour-de-France-Streckenabschnitt durch Mönchengladbach zu erradeln, hat mich aber dennoch gereizt. Ich möchte wissen, was Topfahrer Tony Martin von Mönchengladbach zu sehen bekommt, wenn er auf zwei Rädern durch die Vitusstadt radelt. Denn natürlich hat die Sportwelt schon bei der Frauenfußball-WM 2011 nach Mönchengladbach geschaut und bei der Hockey-WM 2006. Doch da gab es wenig von der Stadt an sich zu sehen, BORUSSIA- und SparkassenPark liegen ja eher außerhalb. Die Radfahrer hingegen brausen mitten durch die City und werden sich ihr eigenes Bild machen von Korschenbroich, Mönchengladbach, Rheydt und Wickrath. Gut, wenn sie denn überhaupt Zeit dazu haben.
Und so lasse ich mich am Ortseingang Korschenbroicher Straße aussetzen und radle unbeirrt los, weit entfernt vom Tour-Durchschnittstempo 45 km/h, ich trete in die Pedale und fahre nicht einmal halb so schnell. Vorbei an Discountern, Tankstellen und größeren Firmen – die Vitusstadt zeigt sich den Tour-Topfahrern zunächst von seiner, sagen wir, funktionalen Seite. Bis zum Berliner Platz zieht sich die Strecke ein wenig, allerdings komme ich auf dem rot markierten Radweg sehr gut voran, die vierspurige Straße neben mir ist an diesem frühen Montagabend im Feierabendverkehr gut befahren – ich merke zum ersten Mal beim Rechtsabbiegen auf den Berliner Platz, dass ich mir einen anderen Tag für diese Route hätte aussuchen sollen.
Parallel zu den Bahnschienen fahre ich die Rathenaustraße hoch und wundere mich wie jedes Mal, wie souverän ich das augenscheinlich recht unübersichtliche Linksabbiegen in die Bismarckstraße meistere. Das erste Mal bin ich ein wenig neidisch auf die Tourfahrer. Nicht nur, dass sie am 2. Juli von Tausenden fürs Radfahren bejubelt werden – mir jubelt hier niemand zu. Die Profis müssen auch nicht auf den Straßenverkehr achten. Und der brummt an diesem Abend beträchtlich. Am Tourtag wird genau hier die erste Sprintwertung der Tour stattfinden. Es ist ein schöner Streckenabschnitt, den sich die Planer überlegt haben: Mitten in der City und vor allem mit Blick auf die herrschaftliche Kaiser- Friedrich-Halle geben die Fahrer hier auf 1.000 Metern richtig Gas und kommen auf bis zu 70 Stundenkilometer. Für Otto Normalradler wahrlich kein Abschnitt zum Spurten. Ich bin im Stop-and-Go gefangen und ehrlich gesagt froh, wenn ich gleich mal woanders fahre als im Windschatten des Linienbusses vor mir.
Und das darf beziehungsweise muss ich, als ich links abbiege auf die Hermann-Piecq-Allee, denn hier führt mich der Radweg manchmal ein paar Meter von der ansonsten parallel laufenden Straße. Spätestens auf der Hittastraße stelle ich mir vor, wie sich ein Tourfahrer, vielleicht ein Italiener, kurz zur Seite dreht und seinem Nebenmann zuruft: „Ist schön hier“. Denn der Blick über den Geroweiher rauf aufs Münster und das Museum Abteiberg ist schön majestätisch und wird der durchaus Landschafts-verliebten Regie auch die immer gewünschten schönen Umgebungsbilder liefern.
Mit diesen tollen Eindrücken im Kopf und befeuert von einer sonst gar nicht so bekannten grünen Ampel-Welle auf den nächsten Kilometern erreiche ich Rheydt, und einmal mehr fällt mir auf, wie viel ich eigentlich immer nur geradeaus fahre – der Radrennfahrer mag es unkompliziert. Ich fahre an den vielen internationalen Cafés, Restaurants und Kneipen auf der Friedrich-Ebert-Straße vorbei und stelle mir im Ansatz vor, wie sehr hier am Tourtag der Bär steppen wird. Vorbei am Rheydter Bahnhof geht es doch tatsächlich an der Wickrather Straße ein wenig bergauf. Für mich etwas anstrengend, für die Radprofis ein Witz: Sie müssen im Laufe der Tour Abschnitte radeln, auf denen sie 20 Kilometer am Stück eine Steigung von 12 bis 15 Prozent bewältigen müssen! Demnach wird die Wickrather Straße auch nicht als die niederrheinischen Pyrenäen in die Tour-Geschichtsbücher eingehen – wahrscheinlich merken die Fahrer diesen minimalen Anstieg gar nicht.
Ich verkneife mir eine mittlerweile allmählich verdiente Stärkung an den vielen Franchise-Ketten an der Autobahnauffahrt, genieße im Ortsteil Wickrath den Blick aufs Schloss und bereite mich allmählich aufs Ende dieser Tour vor. Ich habe mir vor allem hinten raus, beim sehr ländlichen und grünen letzten Streckenabschnitt bis Wanlo ein wenig Zeit gelassen – ich bin ja nicht auf der Flucht beziehungsweise der Tour. Ich habe knapp anderthalb Stunden gebraucht, die Tourfahrer werden es in 20 Minuten machen – ein kurzes Vergnügen. Vielleicht werden sie sich am Ende auch nicht in dem Maße an unsere Stadt erinnern, wie ich es hoffe – 20 Kilometer Mönchengladbach sind natürlich nur eine Nuance angesichts der 3.516 insgesamt zu fahrenden Kilometer. Aber Mönchengladbach ist Teil des größten und wichtigsten Radrennens der Welt, und das ist einfach nur klasse. Und ich? Ich komme zu dem Schluss, dass mein Hollandrad ganz gut zu mir passt – auch wenn ich mir vorgenommen habe, als nächstes meine Gangschaltung reparieren zu lassen.
 
mle
 
INFO// Tourfieber 2. Juli 2017
Die zweite Etappe
Die Etappe startet in Düsseldorf und geht von Mönchengladbach durch Heinsberg, Düren, Jülich, Aachen und Würselen und endet nach 202 Kilometern im belgischen Lüttich.
Hot-Spots in MG
In Mönchengladbach wird es insgesamt drei Hot-Spots mit unterschiedlichem Rahmenprogramm geben, an denen man nicht nur auf Videoleinwand, sondern auch live einen guten Blick auf die Radsportprofis genießen kann:
Kaiser-Friedrich-Halle
In Verbindung mit dem Niederrheinischen Radwandertag dreht sich hier alles ums Rad, für Kinder ist ein spezieller Fahrradparcours geplant.
Tellmannplatz
Besucher erwartet ein abwechslungsreiches Bühnenprogramm und französisches Flair.
Wickrather Marktplatz
Hier dürfen sich vor allem Familien auf einige Überraschungen und Programmpunkte freuen.
Weitere Infos & Streckenverlauf: www.tourfieber.de