Hamlet ist nicht der Einzige, der sich Fragen stellt, auf die es keine Antwort gibt. Jedes Mal überlege ich mir, was beim Kauf von eher fragwürdiger Designerkleidung überzeugt hat. Ist es immer das Design oder spielen doch andere praktischeParameter dabei eine wichtigeRolle? Sozusagen nach dem Motto’Form follows function‘, was soviel heißt wie: Die Form von Dingen soll sich aus ihrem Verwendungszweck ableiten. Dabei wäre es aber meiner Meinung nach auch von Nutzen, wenn der ästhetische Aspekt mit in die Form einfließt.
Ich bin mal ganz ehrlich. Als Puber-tierende war ich noch ganz einfach gestrickt. Ich folgte einem simplen Grundsatz: „Was nicht trendy ist, wird nicht angezogen!“ Kleidungsstücke, die einer bestimmten Funktion dienten, wurden daher schon vorher aussortiert. Als absolute No-go’s galten zum Beispiel Jacken, die wärmen, Oberteile, die den Bauch bedecken, oder Schuhe, die bequem sind. Das war tabu!
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang ungern an meine jetzt verpönten Buffalos. ‚Towers‘ für die Experten. Das Altstadt-Kopfsteinpflaster war mein natürlicher Feind. Das hätte mich aber niemals zum praktischen Schuh greifen lassen. Dafür habe ich viel zu lange für die Fußfreiheit und gegen das Regime der Eltern gekämpft. Da ich diese teuren Treter erst sehr spät lachend von meinem Vater überreicht bekam, wurde mir sehr schnell von meinen Mitschülern – durch das beliebte Spiel Schweinchen in der Mitte – klargemacht, dass dieser Schuh schon längst wieder out war.
Klüger geworden durch diese Erfahrungen, wollte ich im fortgeschrittenen Alter alles besser machen. Mein Vorsatz zu dieser Zeit: „Nie wieder komische Treter an den Füßen“. Von da an habe ich jeden merkwürdigen Trend aus dem Abseits belächelnd beobachtet. Doch langsam aber sicher passiert es wieder. Die Masse hat diese gummistiefelartigen Fell-Boots an. Meine Augen haben sich inzwischen an diesen ungewöhnlichen Anblick gewöhnt, der wirklich nichts für die Ästhetik am Fuß tut. Probanden berichten sogar positiv von warmen Füßen und kuscheligem Gefühl, sodass ich langsam so etwas wie Eifersucht verspüre. Besonders am Glühweinstand wünschte ich mir warme, in Fell verpackte Füße.
Hiermit resigniere ich offiziell! Ich dachte, ich hätte die Jugendkultur verstanden, aber was ist da denn los? Oma, Mutter und Tochter kaufen denselben Schuh und, noch viel ungewöhnlicher, sie entscheiden sich bewusst für einen wärmenden, sinnvollen Winterschuh. An diesem verzwickten Punkt angekommen, bleibt die Frage: Sein oder Design? Was mir Hamlet jetzt wohl raten würde?
Anke Bigdeli