So ein Museumsbesuch hat zwei Seiten: Zum einen betritt der Besucher eine andere Welt, die sich durch Wechselausstellungen immer wieder verändert. Schon an der Kasse ist die Spannung fühlbar, welche Entdeckung wohl auf einen wartet. Das Personal  strahlt freundliche Autorität aus, bei der man gleich weiß: Wer sich nicht benimmt, wird in seine Schranken gewiesen. Also hält, wer die Kunstwelt am Liebsten durch Sehen, Hören und Tasten erfährt, seine Hände streng hinter dem Rücken. Damit sie nicht plötzlich an einem Kunstwerk kleben, weil die Fingerkuppen an das Gehirn weitergeben möchten, wie sich die futuristisch anmutenden Werke von Yves Klein ‚Monochrom Blau‘ im Museum Ludwig Köln anfühlen. Wirklich so leicht und fluffig, wie die Blasen aussehen, die aus dem Bild zu sprudeln scheinen?
Zum anderen ist das Museum ein Ort der Konzentration, der besonders in diesen Tagen eine Ruhe verspricht, die den Geist anregt. Für das Museum Ludwig in Köln gilt das ganz besonders. Denn in direkter Nachbarschaft zum Dom, liegt es im Zentrum der Stadt. Wer hierhin möchte, muss vom Bahnhof aus entweder den Weg um die Baustellen oder durch den Trubel des Weihnachtsmarktes nehmen.
Schon die Architektur des 1986 eröffneten Museums ist einen Besuch wert – zumal sie Mönchengladbacher auch an das 1982 eröffnete Museum Abteiberg erinnern dürfte. 260.000 Kubikmeter Raum wurden für das Museum Ludwig umbaut – das entspricht dem Volumen des Kölner Doms. Hier wird Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts präsentiert. Aktuell die Ausstellungen ‚Not Yet Titled – Neu und für immer im Museum Ludwig‘ und ‚Louise Lawler – Adjusted‘.
Für ‚Not Yet Titled‘ hat Museumsdirektor Philipp Kaiser Werke aus dem Depot genommen, die schon lange nicht mehr oder sogar noch nie dem Publikum gezeigt wurden. Werke wie die unbetitelte Installation von Barbara Kruger, die bereits 1995 angekauft wurde und seitdem nicht mehr zu sehen war. In einem Raum gibt sie dem Gebrauch und Missbrauch von Macht in Politik, Medien und Werbung Gesichter und Stimmen. In großformatigen Aufnahmen sehen die Besucher beklemmende Szenen und Gesichter, wie das Paar, das sich mit Mundschutz küsst. Darunter der Slogan ‚Fight like us‘. Der Boden ist belegt von Schlagwörtern in weißen Buchstaben auf rotem Grund, die an ein Boulevardblatt erinnern. Schon von Weitem ist die Geräuschkulisse aus Reden und Massendemonstrationen, die die Arbeit von Barbara Kruger begleiten, im Museum zu hören. Die Geräusche locken an diesen Ort. Wer ihn betritt, verschwindet buchstäblich darin.
Während man durch die Ausstellung geht, stellt man sich unwillkürlich vor, wie
Philipp Kaiser im Depot Kisten öffnete und Folienverpackungen von Bildern nahm, wie sein Herz freudig hüpfte, wenn er darin ein Werk von Gerhard Richter oder Andy Warhol fand. Vermutlich war es nicht so, aber im Museum Ludwig kann sich dazu jeder seine eigene Geschichte ausdenken.
Das ist ein Wesen von Kunst: Sie erzählt Geschichten, die je nach Charakter des Betrachters ganz unterschiedlich sind. Auch in Louise Lawlers Bildern sind sie zu finden. Die 1947 geborene Künstlerin fotografiert Kunst in privaten Räumen und in Museen und hebt damit deren unterschiedliche Wirkung hervor. Für die Ausstellung in Köln hat die Künstlerin zusätzlich eine
Serie von zehn ‚Tracings‘ anfertigen lassen: Umrisszeichnungen, die ihre Bilder auf das Wesentliche reduzieren und wie die Vorlagen von Malbüchern wirken. Erst beim Durchgang durch das Museum entdeckt der Besucher die Originale – in einem anderen Raum, in einer anderen Welt.
Garnet Manecke
 
Ausstellungen
Not Yet Titled – Neu und für immer im Museum Ludwig
Louise Lawler – Adjusted
Museum Ludwig
Heinrich-Böll-Platz | Köln
www.museum-ludwig.de