Der Herbst gilt vielen auch als zweiter Frühling im Jahr, weil die Natur dann noch mal richtig aufdreht. Bevor sie sich in die Winterpause verabschiedet, treibt sie es richtig bunt. Augenfällig ist das in der Farbenpracht der Bäume, aber auch an den Gemüseständen auf Wochen- und Supermärkten. Zeit, für die Ernte dankbar zu sein.

Ein regenreiches und zugleich sehr warmes Jahr geht für die Landwirte zu Ende. Was in Wald und Parks für üppiges Grün sorgte, kann auf dem Feld problematisch sein. Den Kartoffeln war es in diesem Jahr zu nass, sie waren von der Kraut- und Knollenfäule bedroht. Auch für die Tomaten war die Witterung alles andere als optimal. Kein Erntejahr ist wie das andere, denn das Ergebnis ist auch von vielen Zufällen abhängig, die ein Landwirt nicht beeinflussen kann. In jeder Ernte steckt eine göttliche Komponente: Die Natur gibt, was sie zu geben bereit ist.

Die antiken Römer und Griechen dankten ihr dafür mit Ritualen, bevor das Christentum entstand. Diese Tradition führten die Christen schließlich weiter. Am Ende der Ernte wird Erntedank gefeiert. Seit 1972 ist in der katholischen Kirche dafür der erste Sonntag im Oktober festgelegt. Das ist in diesem Jahr der 6. Oktober. Die evangelischen Christen haben dafür den ersten Sonntag nach dem Michaelitag (29. September) festgelegt. Fällt der auf einen Samstag, weicht das Datum des protestantischen Erntedankfestes also von dem des katholischen ab.

So oder so schmücken Christen in Gottesdiensten die Altäre mit den zahlreichen Früchten des Feldes großzügig. Neben Obst und Gemüse werden oft auch Brote in die Dekoration einbezogen, um die Getreideernte zu symbolisieren. Viele Gemeinden spenden die Lebensmittel nach den Gottesdiensten an karitative Einrichtungen oder geben sie gegen eine Spende ab.

Das amerikanische Thanksgiving, das jedes Jahr am 4. Donnerstag im November gefeiert wird, ist eine besondere Variante des Erntedanks. Die Tradition geht auf die Pilger zurück, die 1620 mit der Mayflower aus Europa nach Amerika kamen. Die Überfahrt auf dem Segelschiff aus Holz dauerte zwei Monate und war lebensgefährlich. Zwei Menschen starben und am Ende geriet das Schiff in einen Sturm, der sie vom Kurs abbrachte. Die Pioniere waren froh, dass sie nach der Reise heil ankamen und wieder festen Boden unter den Füßen hatten. Überlebt haben sie aber nur dank der Hilfe der Wampanoag-Indigenen, die ihnen zeigten, wie der Ackerbau in der neuen Welt funktionierte. Mit einem dreitägigen Fest bedankten sich die Siedler für die Hilfe.

Garnet Manecke