Fliegen ist nicht immer schöner. Auch Kreuzfahrten haben ihre natürlichen Grenzen. Und tausend Reisekilometer (oder mehr) im eigenen Pkw sind ebenfalls nicht jedermanns Traum. Doch keine Sorge: Es gibt ja auch noch die Reise per Bahn. Da muss es ja nicht gleich die Freitagabend-Tour im überfüllten IC nach Westerland sein. Ihr Urbano Magazin hat einige der schönsten Langstreckentouren auf Schienen für Sie ausgesucht, manche sind sogar legendär.
Deutschland ist zwar Reisemeister in Europa. Aber einen properen, einladend-modernen Zug fürs wirklich entspannte Reisen durch unsere schönsten Gegenden – den hat das Staatsunternehmen DB noch nicht auf die Schienen gebracht. Dabei gab es die Idee dazu schon in den 1960er Jahren. Das war der bis zu 200 Stundenkilometer schnelle TEE (Trans-Europa-Express) mit dem schönen Namen ‚Rheingold‘. Das schmucke Zug-Ereignis im leicht plüschigen Design hatte einen Panoramawagen mit gläserner Aussichtskuppel über dem eigentlichen Wagendach, es verfügte über Clubwagen und Abteile mit reichlich Fußfreiraum, natürlich einen Speisewagen mit erstklassigen Menüs – und überhaupt gab es nur die 1. Wagenklasse.
Tatsächlich rollt dieser Reisetraum bis heute weiter, inzwischen privatisiert und als AKE-Rheingold unterwegs. Die entspannten Touren per Luxuszug gibt es beispielsweise als Rhein-Rundfahrt, Moselromantik und bis an den Wörthersee. Kitzbühel steht ebenso auf dem Sommer-Plan wie Wien, Potsdam oder Warnemünde, und die Jahresabschlussfahrt im November geht nach List auf Sylt, wo die Gäste schon im Fünf-Sterne-Haus Arosa erwartet werden.
Die längste Bahnreise der Welt
Sie war eines der erfolgreichsten Projekte, die ein russischer Zar je verwirklichen konnte. Und bis heute hat die Transsibirische Eisenbahn Legenden-Status. Sie bietet die längste Bahnreise der Welt über 9.288 Gleiskilometer zwischen Moskau und Wladiwostok. Dabei passieren Langstrecken-Gäste 89 Städte, 16 große Flüsse auf hunderten Brückenbauwerken, durchqueren zwei Kontinente und unvorstellbare acht Zeitzonen.
Der US-amerikanische Reiseschriftsteller Marco Lorenzo Taft schrieb über diese Bahnreise: „Die moderate Geschwindigkeit dieser russischen Expresszüge erinnert an Kamele, seit Ewigkeiten gewohnt, die unermessliche Wüste zu durchqueren.“
Touristen sind auf dieser Strecke nicht immer in der Mehrheit. Sie treffen in den unterschiedlichen Wagenklassen vor allem auch auf Öl- und Bergbauarbeiter, die von oder nach Sibirien unterwegs sind. Alkohol ist an Bord nicht erlaubt, aber in jedem Waggon gibt es einen Samowar, mit dessen Hilfe man seinen Tee brauen kann.
Die schönste Strecke der Welt
Sie wollten schon immer einmal Harry Potters Glennfinnan Viaduct sehen, den höchsten britischen Berg Ben Nevis besteigen, den Herstellungsort des berühmten Oban Single Malt Whisky besuchen? Das alles und noch viel mehr finden Sie mithilfe der West Highland Railway Line in Schottland. Die bietet eigentlich gleich zwei Bahnlinien, eine bis Oban und eine bis Mallaig. Verwunschene Schlösser, klare Seen, grüne Täler, raue Berge – alles, was Schottlands Highlands und seine einsamen Küsten ausmacht, ist hier zu finden. Das britische Magazin ‚Wanderlust‘ hat sie zur schönsten Bahnstrecke der Welt gewählt – und wir stimmen gerne ein …
Europäische Zugvarianten
Viermal täglich können Sie in Südfrankreich per Eisenbahn
zwischen der Cote d’Azur in Nizza und der Alpenkulisse von
Digne-les-Bains verkehren. Die 150 Kilometer lange, höchst abwechslungsreiche Strecke trägt einen besonders schönen Namen: Train des Pignes heißt übersetzt ‚Pinienzapfenzug‘.
Bären, Elche und schließlich die Ursprünglichkeit Lapplands sind am Wegesrand zu sehen. 1.300 Kilometer quer durch Schwedens unendliches Binnenland führt die Inlandsbanan von Kristinehamn bis Gällivare. Die Reise kann wahlweise drei bis sechs Tage dauern.
Fast jeder kennt zumindest ihre Namen: Der Bernina Express und der Glacier Express sind die bekanntesten Bahnlinien der Schweiz, die über teils atemberaubende Serpentinen durch die Berge führen. Dagegen ist die GoldenPassLinie zwischen Luzern und Montreux noch weniger bekannt – aber auf andere Weise ebenfalls wunderschön. In gut fünf Stunden kommt man hier über 190 Kilometer voran – in drei verschiedenen Zügen.
Heute wieder reisen mit der Bahn wie einst die Eltern und Großeltern – das verspricht Natur- und Kulturerlebnisse analog, buchstäblich zum Anfassen. Und im Wohlfühltempo.
Peter Lamprecht