Das Salzkammergut Österreich ist eine der Kulturhauptstädte Europas 2024 – neben Bodø in Norwegen und Tartu in Estland
Sehnsuchtsland Salzkammergut
Es sind schon unzählige Liebeserklärungen an die österreichische Region Salzkammergut geschrieben worden. Hier könne man noch heute die heile Alpenwelt erleben, so heißt es. Es sei in der Vergangenheit so etwas wie die private Schatzkiste österreichischer Kaiser gewesen. Das Salzkammergut sei Sehnsuchtsland für Sommerfrischler, eine Landschaft wie im Märchen. Scheinbar kein Superlativ ist zu klein für die Landschaft zwischen Salzburg, der Steiermark und Oberösterreich. Und doch bezeichnen es die Bewohner selbst als ‚Wunder‘, dass ausgerechnet ihre Heimat von der Europäischen Union zu einer der drei Kulturhauptstädte gewählt wurde. Kulturhauptstädte, so das Ziel, sollen die Identifikation der Bürger mit Europa und die kulturelle Vielfalt stärken.
Aber eine Region, zusammengesetzt aus 23 ländlichen Gemeinden, als Kulturhauptstadt? Das hat es bisher noch nicht oft gegeben. In der Vergangenheit wurden meist große europäische Städte ausgezeichnet, Kopenhagen, Dublin oder Prag. Dieses Mal wurde bewusst der ländliche Aspekt berücksichtigt. Die Botschaft der Bewerber: Das Salzkammergut ist keine Inszenierung, keine Show und nichts Gekauftes. Geschichte, Kultur, Natur und Kulinarik sind genauso Tradition wie die vielen Berge, Seen und Schlösser. Das will man zeigen, denn natürlich gibt es im Kulturhauptstadtjahr allerhand Ausstellungen, Musik, Kulinarik und vieles mehr.
Aber in erster Linie will sich das Salzkammergut so präsentieren und zeigen, wie es ist. Es gibt imposante und schroffe Berge, die eine unvergleichliche Skyline bilden: den Dachstein, das Tote Gebirge, das Sengsen- und Höllengebirge. Dazu insgesamt 76 malerische Seen, tolle Städtchen wie Bad Ischl oder St. Wolfgang am Wolfgangsee.
Das Salzkammergut lässt sich im Sommer Schritt für Schritt erobern: Mehr als 4.000 Kilometer Wanderwege sorgen für viele Glücksmomente, aber auch andere Sportler wie Bergsteiger, Kletterer und Paragleiter, Radfahrer, Mountainbiker und Stand-Up-Paddler kommen hier auf ihre Kosten.
Es ist eben ein herrlicher Rückzugsort, um seine Seele baumeln und sich inspirieren zu lassen, so haben es schon Maler Gustav Klimt und Komponist Gustav Mahler getan.
Die Verantwortlichen des Kulturhauptstadt-Projekts Salzkammergut haben sich ambitionierte Ziele gesteckt: Man will wichtige Themen Europas, der Welt und der Region ansprechen, „die Tradition wertschätzend und zugleich mit Blick in die Zukunft“. Denn eine Kulturhauptstadt Europas stellt immer brennende Fragen unserer Zeit: Wie leben wir als Gesellschaft hier im alpinen ländlichen Raum, wie wollen wir in Zukunft leben? Wie verstehen wir uns in Europa und in der Welt. Welchen Beitrag wollen wir zu einem gemeinsamen Europa leisten? So gibt es Projekte zu den Themen Macht und Tradition, Kultur im Fluss, Tourismus und Globalokal. Beim letzten Punkt geht es darum, ein Leben auf dem Land zu ermöglichen und dennoch vernetzt und global arbeiten zu können.
Besonders schön: Mehr als 85 Prozent der Kulturhauptstadt-Veranstaltungen werden von lokalen und regionalen Künstlern, Vereinen, Institutionen und Betrieben durchgeführt. 85 Prozent des Kunst- und Kulturprogramms werden bei freiem Eintritt zu erleben sein. Denn das Salzkammergut will sich von seiner besten Seite zeigen. Dass es eine wunderbare Gegend ist, das wissen sie hier. Das haben sie hier aber auch in unzähligen Liebeserklärungen oft genug gehört.
Massenküssen in Tartu
Mit knapp 100.000 Einwohnern ist Tartu vielleicht keine Großstadt, gilt aber schon seit Längerem als heimliches kulturelles Zentrum Estlands. Die Universitätsstadt, die sich am besten zu Fuß oder auf dem Fahrrad erobern lässt, punktet durch ein buntes Nachtleben und einen ausgeprägten Sinn für Kultur: So wird etwa eine der großen Hauptstraßen am Ufer regelmäßig im Sommer gesperrt, um Raum für Kunst und Kultur zu schaffen. Das Schöne hat hier eben seinen Raum – sinnbildlich dafür steht auf dem Rathausplatz eine Statue zweier sich küssender Studenten. Dazu passend einer der Programmpunkte im Kulturhauptstadt-Programm für 2024: das Massenküssen ‚Kissing Tartu‘.
Nachhaltige Stadtentwicklung in Bodø
Mit Bodø ist erstmals eine Stadt nördlich des Polarkreises Kulturhauptstadt Europas. Mehr als 600 Veranstaltungen sind in der ‚Mini-Metropole Norwegens‘ geplant, wie ein zu 100 % nachhaltiges Festival, ein Konzert in einer versunkenen Höhle oder arktische Food-Roadshows und -Festivals. Eröffnet wird das Jahr am 3. Februar mit einer fulminanten Inszenierung im Innenhafen. Vor allem das Kulturzentrum Kulturkvartalet Stormen lockt Besucher an; die Bibliothek wurde 2016 vom Magazin ‚Wired‘ zu den zehn schönsten Bibliotheken der Welt gezählt.
Sven Platen