Ob auf dem Dorf oder in Städten wie Kleve oder Maastricht – die fünfte Jahreszeit lässt sich längst nicht nur in den bekannten Metropolen feiern. Im Schatten von Köln und Düsseldorf wird der Karneval auch gelebt – mit seinen eigenen Besonderheiten.

Wie heißt es so schön? Jeder Jeck ist anders. Und jede Stadt feiert Karneval auf ihre Weise. Jeder Karnevalist kennt die Bräuche, Schlachtrufe und Züge in Köln und Düsseldorf. Zeit, mal etwas Neues zu entdecken. Vielleicht gibt man in diesem Jahr ja mal dem Karneval auf dem Dorf eine Chance – oder einer Stadt, die man bisher gar nicht als so jeck wahrgenommen hat?

In Hinsbeck werfen die Zuschauer Bonbons

Eines der tollsten Dinge an Karneval ist doch, dass alles auf dem Kopf steht: Hierarchien und Gewohnheiten werden ignoriert und umgekehrt. In ganz besonderer Weise passiert das am Karnevalsfreitag beim ‚Schollzoch‘ in Nettetal-Hinsbeck. Die Kinder der örtlichen Schulen und Kindergärten ziehen nämlich im Zug durchs Dorf und werfen dabei keine Kamelle – sondern werden von den Erwachsenen am Straßenrand beworfen. ‚Zug verkehrt‘ eben, originell, klein und fein.

In Hüls feiert man ein Gemüse

‚Breetlook‘ – in Hüls feiert man an Karneval ein Gemüse, das eigentlich sonst eher ein Schattendasein fristet. ‚Breetlook‘, oder hochdeutsch: Lauch, hat die Hülser nämlich der Legende nach vor rund 350 Jahren im 30-jährigen Krieg vor Räubern gerettet: Die besetzten Hülser hatten keine Waffen, um sich vor dem Überfall zu retten, und bewässerten den Marktplatz mit Wasser und bestreuten ihn mit Breetlook. Tatsächlich rutschten die Pferde der Eindringlinge aus und die Räuber wurden so überlistet. Grund genug für die Hülser, die Häuser und Säle bis heute zu Karneval mit Lauch zu schmücken, die Alten Weiber mit dem Gemüse zu bewaffnen –
und ‚Breetlook‘ als Karnevalsruf zu etablieren. So verrückt eben, wie Karneval nur sein kann.

In Leuth gehen die Uhren anders

Ein herrliches Alleinstellungsmerkmal sorgt dafür, dass im kleinen Grenzdörfchen Nettetal-Leuth schon eine Woche vorher die Straßen voll sind mit feiernden Narren. Ein Brauch, der noch aus Zeiten rührt, als der Kirchenkalender es vorgesehen hat, dass in Leuth am Karnevalswochenende gebetet werden soll. Also verlegte man Altweiber einfach eine Woche nach vorn und feierte dann. So hält man es bis heute, es ist schließlich Tradition – und gut fürs Geschäft. Denn die Wirte in den beiden Gaststätten Dückers und Kother zapfen an dem Abend, was das Zeug hält, und im Festzelt wird geschwoft. Denn für viele Narren aus den umliegenden Gemeinden ist Leuth die Generalprobe für das ‚echte‘ Altweiber eine Woche später.

In Dülken reiten sie auf Steckenpferden

Wirklich erstaunlich, dass ein kleines Örtchen wie Dülken einen der größten Rosenmontagszüge am linken Niederrhein auf die Beine stellt.  Dülken ist komplett jeck! Im Herzen des Orts steht die jahrhundertealte ‚Narrenmühle‘, in ihr tagt seit ewigen Zeiten die ‚Narrenakademie‘. Einst als Parodie auf übertriebenes Akademikertum, Geistlichkeit und Wichtigtuerei gegründet, hütet sie bis heute die Tradition. Monatlich treffen sich die Mitglieder der Akademie, am 11. November eröffnen sie jährlich mit ihrem Narrenritt um die Windmühle auf Steckenpferden die Session.

In Maastricht ziehen Riese und Engel mit

Auch wenn es viele Niederländer zum Karneval feiern in die rheinischen Metropolen zieht: Auch bei unseren westlichen Nachbarn lässt sich vorzüglich ‚Vastelaovend‘ feiern. Das verwundert kaum, schließlich machen die Menschen in Roermond, Venlo & Co.
aus jedem Sportereignis ein karnevaleskes Treiben. An Karneval selbst ist Maastricht das Maß aller Dinge, die komplette Stadt ist in den niederländischen Karnevalsfarben Rot, Gelb und Grün geschmückt. Der Karneval in den Niederlanden spielt sich vor allem auf den Straßen (und in den vielen tollen Kneipen!) ab, hier heizen die berühmten Juxkapellen kräftig ein. Und wenn am
Tulpensonntag der ‚Boonte Störm‘ durch die wunderschönen
Altstadtstraßen zieht, dürfen Figuren wie der ‚Gigantische Riese‘ und der Riesenengel nicht fehlen. Alles ein bisschen anders als hierzulande – aber nicht weniger leidenschaftlich und allein deshalb eine Reise wert.

In Kleve wurde die erste Narrengesellschaft gegründet

Nicht in Köln und nicht in Düsseldorf – nein, in Kleve wurde die erste Narrengesellschaft überhaupt gegründet – das behaupten die Autoren der ‚Kölner Narren-Zunft‘. Im Jahr 1381 wurde die ‚geselscap van den gecken‘ vom Kölner Erzbischof Graf Adolph von Kleve aus der Taufe gehoben. Sinn des Ganzen: Grafen, Ritter und Adlige sollten sich in einer Gemeinschaft zusammenfügen, um zu feiern. Und darum wird es auch gut 700 Jahre später gehen, wenn das große Festzelt im Herzen der Stadt vom 22. Februar bis zum 4. März geöffnet hat.

In Sevelen rasen die Schiebkarren

Eine sonderbare Mischung aus Karnevalszug und Stadtfest gibt es im Issumer Ortsteil Sevelen zu bestaunen: das in den Zug inte-
grierte Schiebkarrenrennen am Rosenmontag, das von der örtlichen Schützenbruderschaft organisiert wird und eine Art Geschicklichkeitsparcours für eine karnevalistische Fußgruppe durch verschiedene Hindernisse hindurch ist. Schöne Tradition ist, dass in Sevelen nur von Hand gezogene Wagen erlaubt (am besten auf einem Rad) und toll verkleidete Fußgruppen zu bestaunen sind. Ein kleiner Zug, aber ein schöner, an dem die
Vereine, Kegelclubs und Nachbarschaften im Ort engagiert
teilnehmen.                                                                                                                mle