Man kann auch mit dem Fahrrad pilgern: eine besondere Art, den deutschen Jakobsweg buchstäblich zu erfahren

Beinahe eine halbe Millionen Menschen gehen jedes Jahr den Jakobsweg. Jene religiöse Wanderung, die zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela in Galicien führt. Christen hoffen, durch diese Reise Trost, Segen oder Heilung zu erlangen. Fragt man einen Spanier nach dem Jakobsweg, so erhält man oft die Antwort: „Der Weg beginnt vor Ihrer Haustür.“ Und das stimmt wortwörtlich. Unter www.jakobsweg.de findet man eine Übersicht über die insgesamt 31 in Deutschland ausgewiesenen Jakobswege, die zum Gesamtnetzwerk der Jakobswege in Europa zählen. Die meisten von ihnen führen entlang der historischen Handelswege, und alle haben dasselbe Ziel: am Ende die spanische Kathedrale von Santiago de Compostela zu erreichen.

In der Theorie kann man von Norddeutschland aus über die Schweiz und Frankreich bis nach Santiago de Compostela laufen und benutzt dabei ausschließlich Jakobswege. Die Hinweisschilder zeigen es auch an: ‚Santiago de Compostela: 2.576 Kilometer‘. Nirgendwo gilt das Prinzip ‚Der Weg ist das Ziel‘ jedoch so sehr wie beim Jakobsweg, und ohnehin ist es hier viel wichtiger, bei sich selbst anzukommen als an einem jahrhundertealten Apostelgrab.

Sechs dieser Jakobswege führen durch das Rheinland, und sie alle bieten sich auch als Fahrradroute an. Eine davon führt beispielsweise von Emmerich nach Köln, eine andere von Osnabrück über Münster nach Wuppertal. Ausgeschildert mit der gelben Jakobsmuschel auf blauem Hintergrund, lädt der Jakobsweg zum Aufbruch aus dem Alltag ein und zur Reise zu sich selbst.

Zwei Nordrheinische Jakobswege führen nah am Urbano-Sektor vorbei: Der Abschnitt von Nijmegen nach Lüttich führt am Brachter Wald und Roermond an der Maas vorbei. Und bei dem von Dortmund nach Lüttich passiert man Düsseldorf, Neuss und Grevenbroich.

Längst ist die Motivation, auf den Jakobswegen zu pilgern, nicht mehr nur religiös – immer mehr Pilger geben an, neben spirituellen auch kulturelle oder sportliche Gründe zu haben. Und natürlich spielt auch der 2006 erschienene Bestseller ‚Ich bin dann mal weg‘ eine Rolle, in dem Hape Kerkeling von seinen persönlichen Jakobsweg-Erfahrungen berichtet. Der TV-Star war mehr als einen Monat unterwegs.

Nur die wenigsten Menschen haben die Zeit (oder nehmen sie sich), so lange weg zu sein. Von daher ist der Ansatz, sich für einen der deutschen Jakobswege zu entscheiden und das Fahrrad den Wanderschuhen vorzuziehen, ein pragmatischer. Denn es geht auch darum, sich auf Neues und Unbekanntes einzulassen und neben der Natur auch die innere Welt besser kennenzulernen und zu erfahren.

Sven Platen