Wir lieben die Niederlande! Teil 2: Wir wissen, dass wir uns mehr bewegen müssen, um unser Immunsystem zu stärken. Unser westlicher Nachbar lebt vor, wie das ganz einfach funktionieren könnte.

Max de Jong sitzt auf seinem Hollandrad, den Kopf ganz weit nach vorn über den Lenker gestreckt und strampelt in die Pedale, was das Zeug hält. Sein größter Gegner an diesem Tag ist unsichtbar, heißt Orkantief Ruth und bläst ihm mit immenser Wucht ins Gesicht. De Jong ist einer der Starter beim ‚NK Tegenwindfietsen‘, der nationalen Meisterschaft im Gegenwindradfahren. Und so quält er sich am Oosterschelde-Damm mit dem gangschaltungslosen Omafiets über den Asphalt, im Hintergrund spannt sich bei Windstärke 8 ein rot-weißer Windsack, auf der Tribüne machen einige Zuschauer gerne Gebrauch von der Möglichkeit, sich anzuschnallen. Wenn eine Orkanböe kommt, gibt es meist etwas zu lachen – denn dann kommen selbst die härtesten Radler ins Straucheln.

Eine kleine Geschichte von einem bizarren Wettbewerb, die viel aussagt über die Einstellung der Niederländer zu ihrem liebsten Fortbewegungsmittel. Und sie markiert ziemlich genau den Unterschied zwischen ihnen und uns Deutschen. Denn wir, das kann man ja ruhig mal zugeben, sind ein Land der Schönwetter-Radler. Im Herbst motten wir die Rennräder meist wieder ein, lassen das Fahrrad im Keller stehen und greifen wieder auf das Auto zurück – wir und unser Fahrrad, das war mal wieder nicht mehr als ein sommerlicher Urlaubsflirt.

Aber warum ist das so? Nur ein paar Kilometer westlich und jenseits der Grenze gibt es, was das Fahrrad angeht, kein schlechtes Wetter und schon gar keine Ausreden. Es gibt kaum etwas, das man dort nicht mit dem Rad erledigt: einkaufen, die Kinder zur Schule bringen, zum Klönen mit Freunden fahren und manchmal alles auf einmal. Das liegt auch daran, dass bei unseren ‚Nachbarn‘ allerhand unternommen wird, um das Radeln zu erleichtern. Zuvorderst natürlich die insgesamt 29.000 bestens ausgeschilderten Radweg-Kilometer, die sich fast ausschließlich in hervorragendem Zustand befinden und die mit eigenen Ampeln, Kreisverkehren, Tunneln und Brücken ausgestattet sind. Oftmals kommt man über eine der Fahrrad-Autobahnen schneller von A nach B als mit dem Auto. Dann ein spezielles Gesetz, das grundsätzlich dem Autofahrer im Falle eines Unfalls mit einem Radler die Schuld gibt. Ganze Innenstädte verbannen Autos gar direkt und schaffen nicht nur Radzonen, sondern auch Fahrrad-Parkhäuser wie zum Beispiel in Utrecht. Und es gibt Arbeitgeber, die ihre radelnden Mitarbeiter mit unterschiedlichen Modellen finanziell unterstützen.

Das alles ist den Niederländern bewusst, und sie wissen das auch zu schätzen. Schaffen den Wocheneinkauf mit Einkaufstaschen an beiden Lenkern radelnd nach Hause, fahren bei Regen mit aufgespanntem Schirm durch die City und haben dabei auch noch gute Laune.

Wir alle wissen, dass wir länger gesund leben, wenn wir uns bewegen. Egal, welchen Ansatz wir wählen: Ob wir 150 Minuten Sport pro Woche machen wollen, 10.000 Schritte am Tag gehen oder jeden zweiten Tag eine kleine Fitness-Einheit einplanen – vielleicht vergessen wir manchmal, dass wir unser Sportpensum auch einfach mit dem Fahrrad abwickeln könnten. Das ist erstens Einstellungssache und zweitens auch eine Frage des Equipments. Und auch hier scheinen uns viele Niederländer etwas voraus zu haben. Blumenketten, Fahrradkörbe oder Obstkisten sind an den meist hochwertigen Gefährten angebracht, und der Trend geht schon längst zum Zweitrad – anders lässt es sich nicht erklären, wie auf 17 Millionen Einwohner 22 Millionen Fahrräder kommen. So kaufen sie mit dem Bakfiets, einem Lastenfahrrad, ein oder machen auf ihrem Rennrad die flache Umgebung unsicher. Vermutlich gibt es kein Land auf der Welt, in dem Fahrradfahren gesellschaftlich so angesehen ist wie hier. Fahrradfahren längst nicht nur als Fortbewegungsmittel, sondern als Lebensart und nationales Kulturgut. Und das nicht nur im Sommer, sondern auch bei Regen – und Gegenwind.

Oder einfach mal wandern?
Wie ein Damoklesschwert schwebt diese Zahl täglich über mir: 10.000 Schritte. So viel muss ich laut meiner Fitnessuhr täglich laufen. Auch wenn mittlerweile bekannt ist, dass diese Zahl nicht medizinischer, sondern werblicher Natur ist, ist sie doch ein guter Anhaltspunkt, das Immunsystem zu stärken. Kleine Erledigungen zu Fuß, ein Spaziergang in der Mittagspause oder nach dem Abendessen – das alles hat noch keinem geschadet. Überhaupt feiern das Spazierengehen und das Wandern in diesem seltsamen Jahr eine Renaissance. In Zeiten, in denen viele Freizeitmöglichkeiten flachfallen, ist eine Sache immer noch da: unsere wunderschöne Natur – zudem ganz ohne Mund-Nasenschutz erlebbar und – eine funktionierende Regenjacke vorausgesetzt – auch absolut wetterunabhängig. An den Wochenenden sind Parks und Wälder merklich voller als sonst, fast hat man den Eindruck, wir entdecken Mutter Natur neu. Nicht zuletzt im deutsch-niederländischen Grenzgebiet gibt es zwischen Schwalm, Nette, Niers und Maas den ein oder anderen Wanderweg, der lohnt, angesteuert zu werden – und da freut sich auch die Fitnessuhr.

mle