Findet man eigentlich die eigene Landessprache, die ja in den meisten Fällen auch die Muttersprache ist, schön und wohlklingend? Viele Menschen behaupten ja, die unsrige deutsche Sprache wäre eine kalte und eckige, eine mit wenig Charme, möglichst sachlich und meist zweckbestimmend ausgerichtet. Die südländischen Sprachen wären dagegen viel wohlklingender, blumiger und eleganter in ihren phonetischen Klangbildern. So klingt dann eine vom Italiener in seiner Landessprache vorgetragene Bedienungsanleitung für eine Kettensäge wie ein poetisches Gedicht aus der Lombardei.

Läse ein Spanier, möglichst noch mit barcelonesischem Akzent, Paragraphen aus dem katalanischen Strafgesetzbuch vor, würde es in unseren Ohren nach einem leidenschaftlich zubereiteten Gericht aus Großmutters Küche klingen. Ganz zu schweigen vom Singsang der Kollegen unterm Eiffelturm – mit ihren Baskenmützen und dem Baguette unterm Arm. Ob mit oder ohne Gauloises-Kippe im Mundwinkel klingt fast jeder gemeine Franzose nach drei Pastis wie Gilbert Bécaud und könnte bei Berufsbezeichnung ‚Hörbuchsprecher‘ eintragen. Die Durchsage einer weiblichen Stadionsprecherin bei einem frz. Zweitligisten zur Aufforderung, einen falsch geparkten PKW umzusetzen, klingt in meinen Ohren wie „… du hast so eine begehrenswerte Haut – macht es dir etwas aus, wenn ich dich am Oberarm berühre …“

Der Deutsche sagt halt, was er meint. Was gibt’s denn auch zu interpretieren, wenn es am Bahnsteig heißt „Achtung an Gleis 4, es fährt ein der Regionalzug RE 4 von Aachen nach Düsseldorf.“ Diese Worte sprechen selbstredend für sich. Es handelt sich um unverblümte Botschaften ohne sentimentales Gesäusel – nackte, harte Fakten.

Dabei kann unsere Sprache doch auch ganz anders, liebreizend und warmherzig, ja nahezu ästhetisch sein: Ich denke beispielsweise an die vielen tierischen Adjektive in unserem Sprachschatz, die schon dem i-Dötzchen eine bildhafte Lernunterstützung geben. ‚hunde-müde‘, ‚mausetot‘, ‚pudel-wohl‘ oder ‚bären-stark‘ sind selbstredende Bezeichnungen und bedürfen kaum einer ergänzenden Erklärung.

Andere Wortkombinationen habe ich persönlich bis heute nicht verstanden. Woher kommt bitteschön das ‚grotten-schlecht‘ und ab wann ist der Rasenmäher ‚knatschkaputt‘? Worin besteht der Unterschied, ob jemand nach zu vielen Bierchen ‚lattenstramm‘ oder stattdessen ‚rappel-voll‘ ist?  Ist das messtechnisch erfassbar?

Im Spanischen gibt es so viele wohlklingende und selbsterklärende Ortsnamen, die schon beim Betreten einer Ortschaft eindeutige Hinweise verraten. Übersetzt man die einzelnen Wörter, erfährt man, dass einen beispielsweise in ‚Puente de la Reina‘ die Brücke der Königin erwartet. Die Orte Villariba und Villabajo aus der Fairy Ultra Werbung sind hingegen frei erfunden. Glauben Sie bitte auch nicht, dass man im andalusischen Dorf Venta de Pantalones günstig Hosen kaufen könnte, auch wenn das der Ortsname verspricht.

Und dann gibt es da noch einen Ort in Wales, der nicht nur den längsten Ortsnamen Europas hat, sondern meines Erachtens auch den kompliziertesten. Nicht, dass Sie denken, ich wäre beim Schreiben mit dem Kopf auf der Tastatur eingeschlafen, der Ort heißt wirklich wie folgt: Llanfairpwllgwyngyllgogerychwyrndrobwllllantysiliogogogoch.

Auch hinter diesem scheinbar sinnfreien Buchstabenshake verbirgt sich geradezu wohlklingende Poesie. Übersetzt bedeutet der Ortsname übrigens ‚Marienkirche (Llanfair) in einer Mulde (pwll) weißer Haseln (gwyn gyll) in der Nähe (ger) eines schnellen Wirbels (chwyrn drobwll) und der Thysiliokirche (llantysilio) bei der roten Höhle (ogo goch)‘.

Da soll noch einer sagen, unsere Sprache wäre ein schwere Sprache.

Kann man an dieser Stelle unsere niederländischen Nachbarn vergessen? Gewiss nicht: meine Lieblingsvokabel, die sogar einen ermahnenden Hinweis gibt, betrifft den elektrischen Weidezaundraht – Schrikdraad! Und wenn ein Fahrrad (nl. Fiets) wegen seines Motorantriebs brummt, heißt es einfach Brom-Fiets. Noch Fragen?!

In Spanien gibt’s auch den Ort Buenas Noches. Na dann – Nacht zusammen.

Bis dahin – bleiben Sie gesund

Ihr
Gregor Kelzenberg