Der handgeschriebene Brief ist im Zeitalter von Digitalisierung und Social Media eine aussterbende Art. Wir müssen ihn retten! Eine Liebeserklärung.

Es gibt einen Jahrzehnte alten Clip aus ‚Der Sendung mit der Maus‘, in dem die Maus und der Elefant morgens die Haustür öffnen und jeder in seinen Briefkasten schaut. Das Prozedere ist immer gleich: Die Maus bekommt Briefe, der Elefant nicht. Natürlich ist der Elefant darüber traurig, weswegen die Maus wiederum beschließt, dem Elefanten einen Brief zu schreiben. Und der, das ist die erwartbare Schlusspointe, hüpft freudig trompetend zurück ins Haus, nachdem er auch einmal Post im Kasten hatte.

Dieser Clip läuft heute noch im Fernsehen, in Zeiten, in denen erst die E-Mail und später auch WhatsApp die Oberhand in Sachen schriftlicher Kommunikation übernommen haben. Aber jedes Kind versteht ihn trotzdem, auch wenn in den Briefkästen meist nur noch Werbung oder Mahnungen zu finden sind.  Und weniger echte Briefe, schon gar keine handgeschriebenen. Warum eigentlich?

Mit wild pochendem Herzen haben wir früher unserem Schwarm den ersten Liebesbrief in die Hand gedrückt oder heimlich in den Tornister geworfen. Grundlage war ein kariertes DIN-A4-Blatt aus unserem College-Block, mit dem Füller haben wir uns mehr bemüht, ordentlich zu schreiben, als am Tag davor in der Deutscharbeit. Jeder Halbsatz, jedes Wort wurde sorgsam im Kopf abgewägt, bevor wir es mit Tinte aufs Papier gebracht haben. Ein paar Smileys oder sogar Herzchen drum herum gemalt, das Papier dreimal gefaltet, abgegeben – und die Antwort abgewartet.

Elektronische Post, sind wir doch mal ehrlich, ist unpersönlicher, aseptischer. Wörter können beliebig wieder gelöscht werden, ganze Sätze, nein, ganze Briefe per Copy-and-Paste aus dem Internet geholt werden. Das Schriftbild ist zwar sauber, weil gedruckt, aber unpersönlich. Beim handgeschriebenen Brief vermag man die Emotionen des Schreibers im Schriftbild zu erkennen: Unsicherheit, Aufgeregtheit, Lust, vielleicht auch Angst. Ist das nicht viel persönlicher, wärmer und schöner?

In den vergangenen Jahren hat sich in der  Weihnachtszeit ein Trend breitgemacht: der Weihnachtswichtel, der ins Haus einzieht und mit dem die Kinder per Brief kommunizieren können. Ganz unverkrampft, neugierig, aufgeregt. Die Kinder entwickeln in den Tagen vor Weihnachten eine Art Brieffreundschaft; schreiben an einem Tag einen Brief und bekommen am nächsten eine Antwort. Handgeschrieben, dreimal gefaltet, mit noch viel mehr Liebe als Rechtschreibfehlern. Man stelle sich vor, eine solch innige Kommunikation würde per WhatsApp-Chat verlaufen. Würde das überhaupt funktionieren?

Wir sollten wieder mehr Briefe schreiben, das ist klar. Mit Füller, den Brief dreimal falten und der Person in die Tasche stecken, die uns etwas bedeutet und der wir etwas Besonderes mitteilen möchten. Etwas, das bleibt. Was man sich an die Pinnwand heften kann, unters Kopfkissen legen oder ins Portemonnaie stecken. Damit man sich immer wieder dran erfreuen kann – und  vielleicht sogar vor Glück trompetet wie der Elefant in der ‚Maus‘.

Sven Platen