Einfach mal raus. Der ‚Hanse Radweg‘ ist mit insgesamt 450 Kilometern nichts für eine Tagestour. Aber ein Teil davon ein toller Tipp für einen Wochenendtrip

‚Hanse Radweg‘. Es ist ein eher unscheinbares Schild am Rand eines Fahrradweges, das mich neugierig macht. Hanse? Ist das nicht irgendwo im Norden, sind die Hansestädte nicht Lübeck, Rostock, Hamburg und Bremen? Und wieso führt der Hanse Radweg quer durch Duisburg? Ein wenig Internet-Recherche später weiß ich, dass sich tatsächlich seit einiger Zeit einige niederrheinische Städte zu den Rheinischen Hansestädten zusammengeschlossen haben: Denn auch in den Städten am Rhein wurde in der traditionsreichen Hansezeit im Mittelalter Handel getrieben. Der im vergangenen Jahr eröffnete Hanse Radweg ist eine Reminiszenz daran.

Und ich habe mich an einem der ersten frühlingshaften Wochenenden aufgemacht, auf Spurensuche zu gehen, mit dem Trekkingrad einfach mal loszufahren und den Hanse Radweg von seinem Startort Neuss so lange wie möglich entlangzufahren. Heimliches Ziel für das Ende einer Zwei-Tages-Tour: die niederländische Grenze.

Denn eins muss man vorwegnehmen: Um den gesamten Radweg zu fahren, braucht man 450 Kilometer, oder übersetzt: ein paar Tage Urlaub und ordentlich Sitzfleisch. Für mich und mein Rad sind aber die rund 140 Kilometer schon genug, die ich mir für zwei Tage vorgenommen habe. Also packe ich die Satteltasche mit Kulturtasche und Wechselkleidung für eine Nacht, setze mich morgens um 7 Uhr auf den Sattel und strample locker vom Neusser Hafen aus los. Typische Niederrhein-Romantik säumt den Weg: grasende Schafe, jede Menge Vögel, hier und da ein Traktor und vor allem viel Land und frische Luft. Entlang des bekannten Nordkanal-Radwegs geht es nach Meerbusch und direkt hoch zu einem besonders schönen Streckenabschnitt: Kilometerlang geht es an den Rheinwiesen direkt an Deutschlands längstem Fluss entlang.

Es heißt, dass der, der auf dem Hanseradweg unterwegs ist, eine Europareise in Miniatur macht. Die Landschaft verändert sich, es wird, je näher ich auf Duisburg zu radle, immer urbaner. Der Uerdinger Rheinhafen, die Bayer-Werke, die Eisenbahn-Siedlung und Homberg – es geht größtenteils linksrheinisch an Duisburg vorbei, mit Blick auf gigantische Containerschiffe.

Doch schnell wird es wieder beschaulicher. Es geht durch das Naturschutzgebiet Hasenfeld und Rheinvorland, vorbei an mir bis dato unbekannten Städtchen wie Götterswickerhamm, Mehrum und Spellen. Die Schafe stehen wieder auf dem Deich, und kurz vor Wesel geht es durch das sehr naturbelassene Naturschutzgebiet Lippeaue. In einer schönen Pension drapiere ich meine Satteltasche, gehe im Ort noch etwas essen und lege mich früh schlafen – in dem Wissen, dass es am nächsten Morgen nach einem gemütlichen Frühstück weitergeht.

Mit dem Rhein mache ich nördlich von Wesel einen klaren West-Kurs, sehe auf der anderen Rheinseite Xanten, passiere das wunderschöne Bislich und kreuze den Rhein hinter Rees, bis ich hinter Kalkar im wunderhübschen Dorf Grieth einen Kaffee trinke. Der Endspurt steht an, die nach vielen ländlichen Kilometern gigantisch wirkende Rheinbrücke in Emmerich tut sich am Horizont auf. Die Fahrt über die 803 Meter lange niederrheinische ‚Golden Gate Bridge‘ ist das große Finale. Denn es ist vereinbart: Gleich hinter der Grenze, im niederländischen Dörfchen Stokkum, lasse ich mich abholen und wieder nach Hause fahren. Mein Ziel für dieses Mal ist der Startpunkt für die nächste Tour. Denn ich will den Rest des Hanse Radwegs erleben: Nijmegen, Arnheim und Deventer, Zwolle und die Schlussstation Harderwijk. Das sind noch gut 300 Kilometer und wahrscheinlich noch zwei tolle Wochenendtrips. Ich freu mich drauf.

Sven Platen