Der Deutsche an sich ist ja schon ganz schön raffiniert, wenn man ihn aus seiner lieb gewonnenen Komfortzone aussperrt und die sonst selbstverständlichen Freiheiten nicht mehr zur Verfügung stehen. Der vielgereiste Alemanne, auf dessen Couchtisch sich die TUI- und Neckermann- Prospekte seit den Lockdowns stapeln, steht quasi mit gespitzten Ohren in den Startlöchern und wartet nur auf den Schuss von Heiko Maas, auf dass er möglichst als Erster beim Reiseveranstalter seines Vertrauens den wohlverdienten Urlaub im 4 Sterne a. i. Resort auf DomRep buchen kann.

So lange überbrücken Kallheinz und Dagmar die so schmerzlich vermissten Urlaubserinnerungen an Bella Italia, die griechischen Inseln, die Karibik oder die geliebten Ösieberge, indem sie sich die Welt einfach nach Hause holen. Dank Aldi, Lidl, Rewe oder Edeka kann man sich mit den Angeboten der wöchentlich wechselnden Werbe-Beilagen jeweils einen kulinarischen Rundumschlag durch die sonst bereisten Destinationen auf den eigenen Tisch daheim zaubern. Da entdeckt manche griechische Hausfrau, was es so alles an Spezialitäten im eigenen Heimatland gibt.

Nach dem dritten Aperol Spritz träumt dann Kallheinz davon, wie er mit einem Lavendelzweig hinterm Ohr auf einer rosé-farbenen Vespa durch die Zypressen-Alleen der Toskana cruist und in die untergehende Sonne grinst … Erst gestern waren die Nachbarn von oben drüber zum griechischen Sirtaki Abend eingeladen – Dagmar hatte ein Töpfchen Tsatsiki mit Schnittlauch und Petersilie aus dem Schrebergarten verfeinert, ein Traum. „Augen zu – Ägäis an“ rief Kallheinz noch, als die zweite Flasche Ouzo leer war. Man warf noch ein paar Pappteller zum Abschied und noch vor den Tagesthemen kroch Kallheinz glücklich wie Onassis in seine geliebte BVB Bettwäsche. Am nächsten Wochenende kommen die Kinder zum österreichischen Schmankerl Abend, Dirndl und Lederhose erwünscht. Es gibt vorweg a Brezeln, dann oan Schweinsbraten mit Semmelklößen und dazu einen lieblichen Marillenlikör aus der Wachau. Warum denn dann noch in Urlaub fahren …?

Der Deutsche fühlt sich halt daheim am wohlsten, versucht sich aber auch sprachlich nach außen hin als kosmopolitischen Weltbürger darzustellen. Das führt dann bisweilen zu Fremdschämen, wenn der Allemanne beim Betreten seines Stammitalieners ein herzhaftes „bonna Tzäära“ in den Speiseraum trällert und Luigi fragt, ob denn auch sein Leibgericht ‚Knotschie‘ auf der Tageskarte stünde.

Auch am Flughafen trifft man morgens schon Deutsche in kleinen Gruppen, alle mit Strohhut, frech bedrucktem Motto- T-Shirt und Calvin Klein Unterhose unter der Skinny Shorts, die der Kellnerin am Reisekiosk lauthals „tu nomma fünf Cervezas“ zurufen, dabei sicherheitshalber noch eine offene Hand zeigen (vielleicht spricht die ja nur katalanisch).

Ich finde es immer peinlich zuzuhören, wenn man einen Dialekt nachahmt oder mit seinem VHS Spanisch-Grundkurs dem Kellner die Garstufe seines Steaks zu erklären versucht. Die Bestellung wird dadurch weder schneller noch preiswerter – sie stiftet nur unnötige Verwirrung.

Wenn ich in Venlo auf dem Marktplatz mit Genuss ein lecker Pilsken mit einem ‚jongen Jenever‘ genieße, könnt ich ausrasten wenn am Nachbartisch ein ‚Tages- Urlauber‘ aus Duisburg die sympathische Kellnerin zutextet mit „… for mei twee Koffie bla bla bla“. Hätte er wenigstens noch ein ‚alstublieft‘ hinterhergeschoben (das niederländische ‚bitte‘). Hoffentlich hat er sich so schlecht artikuliert, dass er einen Hering mit Saté Sauce in Blätterteig bekommt. Die Kellnerin studiert nämlich an der Fontys Uni und kommt eigentlich aus Hockstein..

Na dann – guten Appetit

Ihr
Heinz Gregor Kelzenberg