Faszination Wohnmobil-Urlaub: Camper und Vanlife-Fans zählen grundsätzlich zu den entspannten Menschen. Wer aber fährt mit welchem Fahrzeug in den Urlaub? Eine Typologie

Wer einmal 14 Tage mit seinem Wohnwagen oder Wohnmobil auf ein und demselben Stellplatz Urlaub gemacht hat, der wird schnell erkennen, dass es auf Campingplätzen ungeschriebene Gesetze gibt, unsichtbare Hierarchien und nicht zuletzt die unterschiedlichsten Typen. Mal kann man sie schon an ihrem Gefährt erkennen, mal an ihrem Aussehen. Wohl bei keiner Art, Urlaub zu machen, kommt man anderen Menschen so nahe – es bilden sich Hecke an Hecke, Windschutz an Windschutz temporäre Nachbarschaften, manchmal Hasslieben und manchmal Freundschaften. Und jede Wette: Die nachfolgend beschriebenen Typen gibt es auf jedem Campingplatz. Eine nicht ganz ernst gemeinte Typologie zwischen Klappstuhl, Grill und Vorzelt.

Der Neuling
Wutausbrüche beim verzweifelten Versuch, die Vorzeltstangen zu sortieren, die hilflose Suche nach der Möglichkeit, das Wasser für die Bordtoilette einzufüllen und die ersten Schrammen beim Einparken vorbei an der engen Stelle mit der Hecke – wer ein Neuling ist, der wird es nicht lange verbergen können. Und es wird auch jedermann sehen können: Denn wo sonst steht das Vorzelt am Ende immer noch ein wenig krumm und schief genau im Wind? Ist aber auch egal, denn Camper helfen sich untereinander und geben sich gerne gut gemeinte Tipps. Denn sie alle eint eine Sache, ob neu oder lange dabei: Die Faszination für den Wohnmobil-Urlaub.

Der Luxuscamper
Understatement ist seine Sache nicht. Sein Wohnmobil ist groß wie ein Schulbus, blitzt, funkelt und ist nagelneu. Dem Badelatschen-Badehose-T-Shirt-Look mag er sich nicht anpassen und glänzt mit Leinenhose, Polohemd und lässig um den Hals geknoteten Pullover. Auch grillt er nicht wie der Rest des Campingplatzes auf dem kleinen Gasgrill, sondern fährt ins teuerste Restaurant in der Stadt – mit dem Smart, der auf Knopfdruck aus dem Heck des Wohnmobils gerollt kommt. Aber: Der Luxuscamper zeigt gerne, was er hat und entführt die interessierte Campingplatz-Nachbarschaft in das Vehikel, das über eine schicke Dusche, einen riesigen Kühlschrank und sogar einen Geschirrspüler verfügt. Darauf einen Champagner – Stößchen!

Der Bastler
Eigentlich wäre hier die Rückbank des Kleinbusses und kein Sideboard aus dünnem Pappelsperrholz. Und hier die Ladefläche und keine Matratze. An den aufgeklappten Kofferraum wird eine Art Vorzelt befestigt, alle Speisen werden über den kleinen Campingkocher zubereitet. Der Bastler mag auf den ersten Blick der Außenseiter auf dem Campingplatz sein, aber jeder hat Respekt vor ihm: Wie hat er es geschafft, aus einem alten VW-Bus eine Art alternatives Wohnmobil zu fertigen? Originell und individuell und nur für einen Bruchteil des Geldes, was man für ein echtes Wohnmobil hinblättern muss? Er hat mit dem wenigsten Schnick-Schnack zu tun und damit am meisten Zeit für das Wesentliche: Lesen, Kaffee trinken, in den Himmel starren.

Der Vanlifer
Immer mehr junge Leute schließen sich einer Bewegung an, die vor rund zehn Jahren mit dem Hashtag #vanlife begonnen hat: einem Leben im Van, also im Kleinbus. Natürlich gibt es die Puristen, die sagen, es reicht nicht aus, nur ein paar Wochen im Jahr hipster-mäßig im alten VW-Bus Instagram-tauglich durch die Lande zu fahren. Wer sich für Vanlife entscheidet, der entscheidet sich per Definition für ein Leben im Kleinbus. Alles, was man braucht, fährt mit – und schließlich geht es doch in erster Linie sowieso darum, etwas von der Welt zu sehen – und das dann auch mit der Welt social-medial zu teilen. Das Leben im Van war vorher Surfern, Hippies oder Aussteigern vorbehalten – längst ist er ein angesagter Trend.

Der Hyper-Aktive
Morgens vor dem Brötchen holen eine Zehn-Kilometer-Laufrunde, nach dem Frühstück eine Runde Federball mit der Familie, ein Wikinger-Schach-Duell mit der Familie gegenüber und sofort danach ein Rundum-Check: Sitzen die Heringe und die Sturmbänder noch fest? Ist der Wasserkanister voll? Was sagt die Gaskartusche? Und dann ist noch nicht mal 12 Uhr. Der Hyper-Aktive kann nicht still sitzen. Er saugt jede Sekunde Campingplatz auf wie ein Schwamm, organisiert nachmittags ein kleines Federball-Turnier und abends eine große Grillrunde mit den anderen Campern auf der Wiese. Kein übler Typ – aber irgendwie auch anstrengend.

Der alte Hase
Ist schon mit dem Wohnwagen in den Urlaub gefahren, als Camping nur was für arme Leute und schrullige Menschen war. Weiß seit Jahrzehnten: Alles andere als Camping ist kein Urlaub. Und unangenehmere Faktoren wie Vorzelt-Aufbau oder Ausleeren der WC-Kassette erledigt er souverän und im Schlaf. Hat auf alle kleinen und großen Problemchen der ‚Nachbarn‘ eine Antwort oder zumindest das exakt passende Werkzeug. Jeder Handgriff sitzt. Natürlich ist kein Kratzer am Wohnwagen, dafür Dutzende Auf-kleber von diversen Campingplätzen – seit 15 Jahren fährt er aber sowieso immer zum gleichen.

Der Dschungel-Camper
Penibel gestutzte Hecke um die Parzelle, eine tatsächlich mit polierten Gartenzwergen versehene Kunstrasenwiese überdachte Holzdielen-Terrasse und eine riesige Stadionfahne vom Lieblingsverein im ‚Vorgarten‘ – der Dauercamper hebt sich schon durch die Art, wie sein Revier markiert ist, von den anderen Campern ab. Die Räder seines Gefährts könnte man auch abmontieren – der Dauercamper will sowieso nirgendwo anders hin. Denn hier kennt er die Abläufe und jeden Campingplatz-Mitarbeiter mit Namen (und umgekehrt, versteht sich). Ob das hier noch Urlaub ist oder schon ein zweites Zuhause ist auch längst egal. Denn abends beim Bierchen mit Gleichgesinnten kann man über all die Amateure schmunzeln, die den halben Tag mit dem Aufbau von Wohnwagen und Vorzelt verbracht haben. Aber nicht zu spät ins Bett. Denn morgen um 6 Uhr macht der Mini-Markt auf, und danach muss der Holzzaun neu lasiert werden. Pflicht ist Pflicht.

Der Familien-Camper
Wie soll man sich als junge Familie etwas anderes leisten als einen Camping-Urlaub? Mit mindestens zwei Kindern und einem Hund verreisen sie im kleinen gebrauchten Wohnwagen und hoffen auf schönes Wetter in Holland. Vor dem Vorzelt liegen eigentlich immer Roller, Inline-Skates, Schaufeln und Luftmatratzen, drinnen sieht es oft nicht anders aus. Meist pendeln die Familien-Camper zwischen Spielplatz, Badesee und Animationsprogramm hin und her. Wenn es gut läuft, streunen die Kleinen den ganzen Tag über mit den anderen Kindern über den Platz, während sich die Eltern in ihren Liegestühlen erholen. Und wenn nicht, steht der eigene Nachwuchs mit allen anderen plötzlich um die in der Sonne dösenden Eltern und Fragen nach einem Eis.

Der Party-Camper
Der Beer-Pong-Tisch wird noch vor dem Vorzelt aufgebaut, der nächstbeste Getränkemarkt halb leer gekauft und die Bass-Box schnell mit dem Smartphone gekoppelt. Der Party-Camper freut sich, für das Amsterdam-Wochenende eine preisgünstige Unterkunft gefunden zu haben. Schnell merkt er aber, dass die Uhren hier ‚draußen‘ etwas anders ticken und macht sich zügig auf in die Stadt. Morgens früh trifft man sich beim Bäcker wieder – der klassische Camper noch ungewaschen in Badeschlappen, der Party-Camper gerade auf dem Rückweg aus der Stadt.

mle