Erleben Sie das auch so? Aktuell scheinen Autos einander nach der Optimierung der Luftwiderstände im Windkanal immer ähnlicher zu werden, die Motorisierung folgt nicht erst nach dem Diesel-Skandal vergleichbaren Standards. Und selbst die Boliden der Formel 1 sind fast nur noch durch die Farbauswahl bei der Lackierung und durch die Werbeaufdrucke der Sponsoren unterscheidbar. Kein Wunder, dass etliche Autobegeisterte vor diesem eher profanen Hintergrund zu Oldtimer-Fans werden. Viele pilgern regelrecht zu jenen mystischen Orten, an denen die Pracht der mobilen Vergangenheit lebendig erhalten wird. Gerade das Frühjahr ist die Hochsaison solcher Pilgerfahrten. Dass die Geschichte der Mobilität nicht nur etwas mit Technik, sondern viel auch mit Kultur und Lebensart zu tun hat – das können Sie 2018 an diesen Schauplätzen live nachvollziehen.
Süden, Sonne, Schönheiten
Spot an zunächst in Richtung Süden: Stellen Sie sich den Comer See Ende Mai vor – also sonnige Tage, milde Abende, mediterranes Flair inmitten prächtig blühender Natur, Tessin vom Feinsten. Und mittendrin in Cernobbio das Fünf-Sterne-Superior-Hotel Villa d’Este, nicht nur ein historischer Prachtbau aus dem 16. Jahrhundert, an dem (und an dessen Park-Umgebung) die kreativsten Köpfe italienischer Architektur gearbeitet haben. Die Villa und ihr Park gehen zurück auf Ideen eines Sohnes von Lucrezia Borgia, der Kardinal und außerdem sehr wohlhabend war. Der Ehrentitel eines UNESCO-Weltkulturerbes ziert heute das Ensemble. Vom 26. bis 28. Mai treffen sich hier viele der schönsten und edelsten Oldtimer der Welt zum ‚Concorso d’Eleganza‘.
Zuvor schon, vom 16. bis 19. Mai, könnten Sie nach Italien reisen. Nach Brescia. In der Hauptstadt der Lombardei erinnert das Museo Mille Miglia an die unvergesslichen Rennereignisse auf der Strecke zwischen Brescia und Rom, bei denen ab 1929 die Marken Alfa, Lancia und Ferrari zu internationalen Größen wurden. Das norditalienische Erinnerungsrennen startet jedes Jahr im Mai zur Monatsmitte. Doch fast noch beeindruckender, als die edlen Vertreter mobiler Geschichte live in voller Fahrt zu erleben, ist die Begeisterung am Wegesrand. Alle durchquerten Städte putzen sich heraus, historischer Rennsport ist allgegenwärtig und bis tief in die Nacht campieren die Menschen an den Straßen, um zu jubeln und zu feiern.
Besondere Eindrücke in beinahe überwältigender Fülle erwarten Sie ganzjährig in Villafranca bei Verona, im dortigen Museo Nicolis. Dessen Namensgeber Luciano Nicolis hat bis zu seinem Tod als Hobby-Restaurator noch selbst Hand an etliche der Schaustücke gelegt. Das bis heute im Familiensitz befindliche und von der Gründer-Tochter geführte Museum zeigt Meilensteine nicht nur der mobilen Entwicklung – Auto-Schätze von Marken wie Alfa und Austin, Benz, BMW, Bugatti und Borgward beispielsweise. Zu sehen sind ebenso Motorrad-Seltenheiten aller relevanten Marken, Fahrrad-Raritäten, Flugzeuge, Instrumente und kleine technische Gimmicks. Und gar nicht weit davon hat Aida in Veronas Arena ihren Auftritt …
Frankophil oder anglophil – Hauptsache stilecht
Was die Mille Miglia für Italien, das waren die 24 Stunden von Le Mans für Frankreich. Diesmal startet das alle zwei Jahre ausgetragene Erinnerungsrennen ‚Le Mans Classic‘ vom 6. bis 8. Juli – ein Großereignis, bei dem Sie auf der Strecke im Département Sarthe die Boliden vergangener Zeiten wiedersehen können, edle Sportfahrzeuge ab Jahrgang 1923. Zuletzt, 2016, waren 123.000 Zuschauer dem Ruf der Klassiker gefolgt. Auch in diesem Juli werden ähnliche Zahlen erwartet – zumal, weil an den historischen Sieg der Renault Alpines vor 40 Jahren besonders erinnert wird. Und auch, weil der legendäre Porsche 356 bei dieser Veranstaltung seinen 70. Geburtstag feiert.
Von Le Mans aus könnten Feinschmecker gleich weiter starten nach England. Dort wird vom 12. bis 15. Juli mit etwa 180.000 Besuchern das Goodwood Festival of Speed zelebriert, eine elegante Motorsportveranstaltung mit feinsten Oldtimern auf dem Gelände von Goodwood House in Westhampton bei Chichester (Südengland). Veranstalter ist Charles Hendry Gordon-Lennox, Earl of March and Kinrara, bekannter als Lord March. Ihm verdankt die automobile Welt schlicht die größte Rennsport-Veranstaltung dieser Art auf Erden, die dem Hörensagen nach auch als Vorbild ‚unserer‘ Classic Days auf Schloss Dyck gilt.
Über den großen Teich
Klar, dass dieser Rekord nicht alleine bleiben darf. Das können die Amerikaner nicht auf sich sitzen lassen. Also auf nach Monterey südlich von San Francisco. Da findet am 26. August im Pebble Beach Golf Club der weltweit opulenteste und berühmteste Schönheitswettbewerb für alte Automobile statt, der ‚Concours d’Elegance‘. Und nicht nur dieser zentrale Schönheitswettbewerb allein bewegt die Besucher. Es gibt eine Extraveranstaltung für besonders hässliche, aber fantasievoll umgebaute Oldtimer. Es gibt eine Show mit besonders schönen Sportwagen – und auch deutsche Autokultur hat ihren eigenen Platz. ‚Legends of the Autobahn‘ heißt das beim Publikum besonders beliebte Ereignis, bei dem sich Kenner um schöne alte Produkte der Marken Mercedes-Benz und BMW, Porsche, Opel, Audi und VW scharen.
Viel Freude jedenfalls winkt denen, die sich ihren Spaß am motorisierten Mobil noch nicht haben nehmen lassen. Denn im Frühling 2018 warten ausgesprochene Leckerbissen auf alle, denen Mobilität noch mehr bedeutet als pure Pflichterfüllung!
Peter Lamprecht