BAHN-LUXUS WIE EINST BEI HERCULE POIROT

Ein fülliger älterer Herr mit gezwirbeltem Schnauzbart auf plüschigem Polstersitz, umgeben von Prunk und Pracht alter Zeiten. So hat der Mime Peter Ustinov im Kino-Klassiker ‚Mord im Orient-Express‘ das Bild vom Meisterdetektiv Hercule Poirot geprägt – und damit zugleich die Erinnerung von Hunderten Millionen Kinobesuchern und TV-Zuschauern an den berühmten Luxus-Zug. Der war real seit 1883 unbis 2009 unterwegs.

Bis heute, bis in die Zeit von Digitalisierung und Künstlicher Intelligenz, wird diese Erinnerung immer neu geweckt. Denn der legendäre Name rollt in neuer Adaption noch immer über die Bahnschienen in Europa. Luxusbahnreisen wie diese mit dem Flair vergangener Zeiten sind nämlich stark gefragt in Kreisen, die nicht nach dem Ferienschnäppchen, sondern nach dem ultimativen Reiseerlebnis suchen – koste es, was es wolle.

VENEDIG-SIMPLON-ORIENT EXPRESS

Mit 18 liebevoll nachgebildeten ‚Kutschen‘ (so werden die Art-Deco Dekorwagen genannt) ist diese Zugvariante des Unternehmens Belmond zwischen London, Paris, Berlin, Venedig, Prag oder Budapest unterwegs. In prächtig ausgestatteten Bar- und Restaurantwagen lässt sich auf angenehmste Weise zwischen Champagner, erstklassigen Wein-Kreszenzen, exquisiten Kaffeespezialitäten und feinen Digestifs wählen. Die livrierten Stewards tragen Hummer aus der Bretagne ebenso auf wie Salzwiesenlamm vom Mont Saint Malo.

Reisende, die lieber ausgiebig aus ihrer Einzel- oder Doppelkabine, Suite oder Grand- Suite auf einige von Europas schönsten Landschaften schauen, kommen ebenso zu ihrem Recht. Die Kabinenstewards sind 24 Stunden täglich aufmerksame Begleiter. Abends verwandeln sie das Sofa-Ensemble in bequeme Kuschelbetten, morgens bauen sie die Betten wieder zu Sofas um.

Diese Version vom alten Orient-Express ist ganzjährig zu buchen. Es gibt Nonstop-Reisen mit einer Übernachtung im Zug – und wer Hin- und Rückreisen bis zu fünf Tagen bucht, kommt ebenfalls zu seinem Recht.

BRITISH PULLMAN

Sie lieben die zahllosen Eigenheiten, die unser Bild von ‚Old England‘ prägen: Schnörkeliges Design, prächtige Schlösser und schrullige Gewohnheiten zum Beispiel? Und dazu die einzigartigen Landschafts-Schönheiten, die diese Insel ausmachen? Dann könnte eine Reise mit dem British Pullman für Sie infrage kommen. In den jungen USA 1874 als erster Busunternehmer gestartet, war Gründer George Mortimer Pullman nach Großbritannien gewechselt, um dort prächtige Reisewagen auf Bahnschienen zu stellen. Der heutige British Pullman nimmt seit 1982 diese Tradition wieder auf. Heute ist der Zug nicht zuletzt britischer Teil des Venice Simplon Orient Express auf der Strecke zwischen London und Folkestone.

Seine prächtigen ‚Kutschen‘ im Art Deco-Stil stammen aus den 1920er Jahren. Jeder trägt einen eigenen, beziehungsreichen Namen. Und der verweist auf jeweils eigene historische Ereignisse. ‚Audrey‘ beispielsweise wurde 1940 bei einem Luftangriff beschädigt. ‚Queen‘ heißt der Wagen, der einst die Königinmutter und auch Prinz Philip zu Gast hatte. ‚Perseus‘ war 1965 Teil des Beerdigungszuges für Premier Winston Churchill. Und ‚Phoenix‘ beförderte Frankreichs General und Präsidenten Charles de Gaulle.

Kulinarische Höhepunkte gehören hier zum Programm, die Gäste erleben ein Festival des Designs. Und jede Reise wird zum Event – ob Tagesausflug oder Wochenendreise, ob Stadtausflüge, große Sportereignisse oder Krimi-Grusel beim Murder Mystery Lunch angeboten werden. Da Schlafwagen nicht zur Ausstattung gehören, warten erstklassige Hotelbetten auf Gäste, die mehrtägige Reisen im British Pullman buchen.

THE BLUE TRAIN

Es begann mit einem Traum: Ein Luxuszug, ‚Fünf- Sterne-Hotel auf Rädern‘, sollte auf einer Schienenstrecke zwischen Kapstadt im Südwesten und Kairo im Nordosten den gesamten afrikanischen Kontinent durchqueren. Politische, wirtschaftliche und kulturelle Gegensätze und nicht zuletzt zwei Weltkriege zerstörten  den Traum. Aber zumindest der Luxuszug wurde Wirklichkeit und gilt bis heute als Traumschiff auf der Schiene. Er verkehrt als absolute Attraktion zwischen Pretoria und Kapstadt sowie zwischen Pretoria und dem Krüger Nationalpark.

Eindrucksvoll bei der Park-Tour ist schon der Start: Noch auf dem Bahnsteig warten beim Check-in Snacks und kühle Drinks. Kaum in der prachtvoll ausgestatteten Kabine oder Suite angekommen, wechseln die Gäste, entsprechend der Kleiderordnung in Smart Casual oder Safari-Kleidung gehüllt, in den Speisewagen. Dort wird ein fulminantes 5-Gänge-Menu gereicht. In einem der Barwagen folgt wenig später der High Tea, bevor um 18 und um 20.30 Uhr die beiden Sitzungen des Abendessens beginnen.

Bald danach begibt man sich zur Ruhe. Denn schon früh um fünf steht der Blue Train im Bahnhof Numbi: Von dort geht es zur morgendlichen Buschführung in den Krüger-Park. Nur mittags um 12 kehren die Gäste nochmals im Zug-Restaurant ein – wieder zum 5-Gang-Menu. Es folgt eine nachmittägliche ‚Pirschfahrt zum Sonnenuntergang‘. Spätestens hier sollten die „Big Five“ des Parks sichtbar werden: Elefant, Löwe, Nashorn, Leopard und Büffel. Abends um 19.30 Uhr kehren die Gäste ein zum afrikanischen Dinner im Safari-Camp. Dann startet die Rückreise im Luxuszug, der dann morgens um zehn Uhr Pretoria erreicht.

ORIENT EXPRESS LA DOLCE VITA

Anders als alle bisherigen Luxuszüge kommt 2023 das jüngste Exemplar der Schienen-Traumschiffe daher. Nicht Art Deco, sondern das Design der Kurven und Farben aus den 1960er und 1970er Jahren bestimmt das Bild dieses jüngsten Sprosses aus dem Bahn-Adel. Das Mailänder Dimorestudio hat die optischen Merkmale entwickelt. Von Italien aus setzen sich insgesamt sechs Züge der neuen Version in Bewegung. Sie sind mit je 12 De Luxe Kabinen, 16 Suiten, einer Ehrensuite für Top-Betuchte und einem Restaurantwagen samt italienischer Haute Cuisine ausgestattet. Frankreichs Hotel-Weltkonzern Accor ist Initiator der Premiere.

Als Reiseziele werden Mailand, Florenz, Venedig und Rom angesteuert, gebucht werden hier eine bis drei Übernachtungen. Zusätzlich stehen internationale Routen auf dem Plan – von Rom aus geht es nach Paris, Istanbul und Split, Kroatiens zweitgrößter Stadt.

Peter Lamprecht