Auch wenn der Winter kalendarisch noch gar nicht zu Ende ist, darf man doch schon resümierend sagen, dass wir am Niederrhein mal wieder Schwein gehabt haben. Schwein jetzt nicht im Sinne von Medaillons, Eisbein oder Rippchen, sondern im Sinne von „der (Unwetter-) Kelch ist an uns vorüber gegangen“. Ein bisschen Schnee in unseren Niederungen ist ja immer ganz nett fürs Auge, taugt aber nur für ein paar Stunden für Kalenderfotos oder einmal Schlittenfahren am Stadtwaldhügel.

Der Niederrheiner im Allgemeinen schaltet schon bei geringfügigen Niederschlagsmengen in Form von Schnee ja eher in den Chaos Modus. Er ist schon griesgrämig, wenn sein Nachbar vor ihm den Gehsteig blitzblank gefegt hat (in voller Breite!) und die zwei Zentimeter Neuschnee gegen  einen Zentimeter abstumpfendes Granulat/Salzgemisch ersetzt hat. Trotz bestens ausgelobter Winterreifen gemäß Stiftung Warentest, zwei Litern Scheiben- und Türschloss-Enteiser sowie einer expeditionstauglichen Outdoor-Bekleidung darf die Fahrweise bei weißer Fahrbahn generell als ‚angepasst-besonnen‘ bezeichnet werden. Wehe dem, dem durch ein so enteistes Fahrzeug mit Stufenheck mit Tempo 10 km/h die Entschleunigung auf einer vierspurigen Hauptverkehrsstraße aufgezwungen wird.  Es ist doch schließlich nur Winter – sonst nichts.

Morgens beim Bäcker werde ich Zeuge einer Unterhaltung, in der man sich über die fragwürdige Leistungsfähigkeit des Winterdienstes echauffiert. Dabei sind die beiden Rentner Nachbarn am Ende einer Sackgasse im Wohngebiet mit geringster KFZ-Frequentierung. „Wofür zahlt man denn all die Steuern…?!“

Die erwarten, dass die zwei Zentimeter Naturkatastrophe bis spätestens 10 Uhr gründlichst auf Seite verfrachtet wurden, damit sie pünktlich zur Waschanlage kommen (wegen all dem Salz am Auto). Das sind im Übrigen die Gleichen, die auch die Feuerwehr über 112 benachrichtigen, wenn eine tote Drossel auf dem Bürgersteig liegt. Diese Kadaver können schließlich verheeeeerende Seuchen nach sich ziehen … („…wie damals am Nil mit den Heuschrecken und so!  War die Tage noch im Fernsehen!“).

Doch zurück zur Realität beziehungsweise meinem persönlichen Empfinden, dass wir in puncto Naturkatastrophen am Niederrhein im gelobten Land leben. Wir brauchen keine Hurrikans zu fürchten, auch ein Tsunami dürfte von äußerster Unwahrscheinlichkeit sein. Bei uns stürzen keine Dächer unter der Schneelast ein und als Lawinenverbauung am Monte Klamott reicht das dort wachsende Gestrüpp. Uns scheren keine Hochwasser oder Wanderdünen, auch Sandstürme und Waldbrände wie in Kalifornien sind bei uns eher selten. Klar gab es immer wieder Ausnahmen, wie den  Tornado in Viersen oder die miese Kartoffelernte im letzten Jahr. Aber verglichen mit dem Rest der Welt dürften wir uns eigentlich in großer Sicherheit wiegen.

Die einzige ernstzunehmende Katastrophe in unserem Stadtgebiet sind die niederländischen Unmengen an LKWs sowie der Hin- und Rückreiseverkehr auf der A 61 Richtung Alpen am Wochenende, wenn Tausende Fahrzeuge mit gelbem Kennzeichen und mittig montierter Dachbox den Verkehr bremsen.

Man könnte auch noch die beinahe
flächendeckenden Verkehrsbeschränkungen durch die unzähligen 30er Zonen anführen. Obwohl ich kein Raser bin, freue ich mich doch immer wieder, mal den 5. Gang in meinem Auto zu benutzen. Mal sehen, welche Asse unsere Politiker noch im Ärmel haben.

Wenn das so weiter geht, fahren wir bald alle nur noch E-Bikes, trinken laktosefreie Sojamilch aus recycelbaren Polyolefinbechern und laden unsere Fairtrade-Handys direkt im Schatten der Windkrafträder.

Ihr Gregor Kelzenberg